111/366: Kein Mangel an Ersten Männern?

Schani Margulies über das Amt der Bundespräsidentin.
Schani Margulies über das Amt der Bundespräsidentin.

„Wenn es an einem in Österreich nicht mangelt, dann an Ersten Männern“, so lautete die Antwort von Schani Margulies, als die grüne Zeitschrift „Impuls Grün“ im Herbst 1991 einen Rundruf zur Bundespräsidentschaftswahl startete. Hans-Peter Lesjak, Obmann der Grünen Bildungswerkstatt Kärnten, reimte: „Wir wählen unseren Ostbahn-Kurt, weil er so guat singen tuat“. Soviel sei vorab verraten: Die Wahl fiel auf Robert Jungk. Präsident wurde in der Stichwahl Thomas Klestil.


// Freda Meissner-Blaus Wahlerfolg war der Startschuß für die grüne Parlamentskarriere. Im Herbst werden die anderen Parteien ihre 92’er Bundespräsidentschafts-KandidatInnen küren. Was tut die GRÜNE ALTERNATIVE? Dr. Kurt Ostbahn unterstützen? Eine/n Unabhängige/n fördern, eine/n eigene/n Kandidatin aufstellen? Oder das Amt abschaffen?

Manfred Ambach-Bauer, Lehrer, Salzburg: Kurt Waldheim hat gezeigt, wie unwichtig das Amt des Bundespräsi-denten mit seinen Vollmachten ist. Ich plädiere für die Abschaffung der Volkswahl und Beschneidung seiner Befugnisse. Der Präsident, von einer Bundesversammlung gewählt, hätte repräsentative Aufgaben und die Kontrolle über das verfassungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen inne. Seine jetzigen Machtbefugnisse sollten zwischen Parlament und Bundesregierung aufgeteilt werden.

Marijana Grandits, außenpolitische Sprecherin des Grünen Klubs, Wien: Ein/e direkt vom Volk gewählte/r Bundespräsident/in sollte sich durch Integrität und Eigeninitiative, durch persönliche statt durch zeremonielle Autorität auszeichnen. Über die Innenpolitik hinaus sollten globale Themen wie Menschenrechte, Demokratie oder Ökologie die Inhalte der Amtsführung kennzeichnen. Angesichts des Mangels an geeigneten grünen Kandidat/inn/en und der Demontage des Amtes durch Waldheim wird es schwer werden, eine unterstützenswerte, in ihrem Arbeitsbereich anerkannte Persönlichkeit mit oben genannten Qualifikationen zu finden.

Hans-Peter Lesjak, Historiker, Obmann Grübi Kärnten, Velden: Wir wählen unseren Ostbahn-Kurt, weil er so guat singen tuat.

Eine "international profilierte Frau" wünschte sich Gundi Kammlander.
Eine „international profilierte Frau“ wünschte sich Gundi Kammlander als grüne Kandidatin.

Gundi Kammlander, Landtagsabgeordnete und Spitzenkandidatin der Grünen Alternative Steiermark, Graz: Ideal wäre für mich eine auch international profilierte Frau aus der literarisch-politischen Szene. Eine unabhängige Kandidatin, die nicht nur die grüne Szene anspricht, würde dem Bedürfnis der WählerInnen nach ernsthafter Politik, wie es uns derzeit im steirischen Wahlkampf begegnet, eher entsprechen als eine sympathische Gaukel-„Chef-Partie“ wie der Ostbahn-Kurti.

Eva Lichtenberger, Tiroler Landtagsabgeordnete, Innsbruck: Wenn schon HBP, dann Bundespräsident light. An und für sich haben die Erfahrungen der Waldheim-Präsidentschaft gezeigt, daß es ohne einen HBP genauso gut und billiger geht. Konsequenz für die Grüne Alternative: keine eigene Kandidatin, das ist sparsamer und zweckmäßiger. Vielleicht sollte man sich ein Schweizer Modell der Präsidentschaft überlegen: wenn Schüssel mit der Eröffnung diverser Messen und Festspiele beschäftigt wird, hat er weniger Zeit für unnötige Straßen, wenn Feldgrill-Zankel ein kaltes Buffet in Tonga genießt, werden vielleicht die Umweltgesetze in ihrer Abwesenheit besser; wenn Fischler Bittschriften von Bergbauern beantwortet, setzt er vielleicht andere Prioritäten.“

Franz Floss, Bundesgeschäftsführer, Wien: Im Falle einer Kandidatur von Jörg Haider zum BP ist Feuer am Dach. Dann müssen wir mit allen Kräften versuchen, eine/n unabhängige/n Kandidatin aufzustellen, die/der das „andere“ Österreich repräsentiert. Ansonsten bin ich dafür, das Pausenfüllerthema BP kühl und gelassen anzugehen Dr. Kurt Ostbahn wäre eine kulturelle Bereicherung, kein BP, ein Gewinn von 40 Millionen öS (jährliche Kosten des BP).

Schani Margulies, Mitglied des Wiener Landesvorstandes, Wien: Wenn es an einem in Österreich nicht mangelt, dann an Ersten Männern. Wir brauchen weder in Friedens- noch in „kriegerischen“ Zeiten einem Befehlshaberin. Ostbahn-Kurti oder ein/e ähnliche/r Kandidatin ins Rennen zu schicken, um die Funktion ad absurdum zu führen, ist eine Idee, mit der ich mich anfreunden könnte. Als Start für ein „Neues Grün“ à la Freda Meissner-Blau eine/n grüne/n Präsidentschaftsaspirantln zu lancieren, halte ich für ebenso überflüssig wie das Amt selbst.

Sabine Zoufal, Vorstandssprecherin und Büroangestellte der Grünen Alternative Wiener Neustadt: Ideal wäre, eine/n unabhängige/n KandidatIn aus dem intellektuell-kritischen Lager zur Kandidatur zu motivieren und diese/n zu fördern. Eine Kandidatur von Ostbahn-Kurti käme einer „WählerInnen-Frotzelei“ gleich, auch wenn der Kurti ein bei mir beliebter und in Österreich meiner Meinung nach zu den Besten der Musikszene zählender Musik-Lebenskünstler ist.

Gottfried Hirz, Spitzenkandidat der Grünen Alternative Oberösterreich, Schwanenstadt: „Persönlich bin ich für die Abschaffung des Amtes. Ich schlage zwei Szenarien vor: 1. ÖVP und SPÖ stellen getrennte Kandidaten auf: Wir verzichten auf eine eigenständige Kandidatur oder Unterstützung eines Kandidaten und st eIlen die Abschaffung des Präsidentenamtes politisch in der Vordergrund. 2. ÖVP und SPÖ einigen sich auf einen gemeinsamen Kandidaten: Damit würde ein mehr oder weniger nationaler Kandidat der FPÖ als Alternative für die Protest- und Oppositionswähler übrigbleiben. In diesem Falle sollten die GAL Ostbahn-Kurti als Präsidentschaftskandidaten unterstützen. (Er kann seinen Wahlkampf sehr gut über Konzertreihen selbst bewerben, und er steht für ein Österreich ohne Heer).


Quelle: Rundruf. In: Impuls Grün, September 1991, S. 24-25

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