224/366: Chlorophyll-Faschisten versus Alternative Listen

SJ Wien: Für ein rot-grünes Österreich (1982)
Sozialistische Jugend Wien: Für ein rot-grünes Österreich (1982)

1982 veröffentlichte die Sozialistische Jugend Wien eine Broschüre unter dem Titel „Für ein rot-grünes Österreich“ (übrigens unter Mitwirkung von Werner Faymann und Michael Häupl). In dem Kapitel über die österreichische Ökologiebewegung wird die politische Bandbreite der Umweltbewegung thematisiert: Die Gruppierungen werden in „Chlorophyll-Faschisten“, “ bürgerliche Zentristen“ und Alternative Listen geteilt.

Bei letzteren seien „Ansatzpunkte für ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung“ gegeben, wenngleich Grüne häufig „den gesellschaftlichen Konflikt Arbeit-Kapital“ verdrängen oder ignorieren würden.


Ein grünes Österreich?

Persönliche Betroffenheit durch die existentielle Bedrohung der Menschheit und des Lebens durch die militärische und technologische Entwicklung hat eine breite Gegenbewegung – über Parteigrenzen hinweg – entstehen lassen.

Diese sogenannte Ökologiebewegung besteht aus einer Vielzahl „grüner“ oder „alternativer“ Gruppierungen, die die Heterogenität und das breite Spektrum dieser Bewegung ausmachen. Rechtsradikale und Neofaschisten versuchen am Trittbrett der Alternativbewegung aufzuspringen. Sie verbreiten Vorurteile und Fremdenhaß, verdammen etablierte Parteien und fordern Sozialdemontage für eine Erhöhung des Militäretats. Ökofaschismus ist fester Bestandteil neofaschistischer Ideologie. „Grüne“ Gruppierungen bürgerlicher Mitte betreiben schrankenlose Bündnispolitik nach rechts. Eine Notgemeinschaft von Wissenschafter[n] solle Österreich erretten. Durch Appelle an die Volksgemeinschaft, ökologische Probleme „unabhängig von Interessen“ gemeinsam zu lösen, sollen unüberwindbare Klassengegensätze zugedeckt werden. Denn Umweltzerstörung und atomare Bedrohung bedeuten, daß alle davon betroffen sind.

"Blumenkinder" - so sieht die SJ die Alternativbewegung
„Blumenkinder“ – so sieht die SJ die Alternativbewegung…

Werden jedoch konkrete Fragen – wie z.B. die Finanzierung des Umweltschutzes – diskutiert, ist die scheinbare Verbindung zwischen den Klassen bereits zum Scheitern verurteilt. Aber er wäre zu wenig, nur Chlorophyll-Faschisten und bürgerliche Zentristen wahrzunehmen. Alternative Listen als „linker Flügel der Ökologiebewegung“ zeigen Ansatzpunkte für ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung. Daher sollten – in Hinblick auf Kooperation – programmatische Berührungspunkte als Diskussionseinstieg verwendet werden.

Noch stehen „die Grünen“ im Diskussions- und Einigungsprozeß für eine gemeinsame Wahlplattform. Die Kandidatur bei den kommenden Nationalratswahlen im April 1983 ist aber bereits beschlossene Sache. Daher ist am historischen 5. November (Volksabstimmung) [Jahrestag der Zwentendorf-Abstimmung, Anm.] mit der Konstituierung einer Grünen wahlwerbenden Partei zu rechnen, sollte es gelingen, ein gemeinsames Programm zu erstellen.

Alternativbewegung contra Technologie?

Eine Verteufelung der Technik führt zur Verharmlosung des Kapitalismus und nützt objektiv der Erhaltung der bestgehenden Gesellschaft.

„Grüne“ erkennen oft nicht, verdrängen oder ignorieren die ökonomische Entwicklung, den Akkumulationsprozeß des Kapitals und den gesellschaftlichen Konflikt Arbeit-Kapital. Auf diese Fragen werden auch sie Antwort geben müssen, etwa wie Umweltschutz finanziert und Arbeitslosigkeit bewältigt werden muß.


Quelle

Sozialistische Jugend Wien: Für ein rot-grünes Österreich. Eine Öko-Broschüre der Sozialistischen Jugend Wien. Wien: Druckerei Hans Jentzsch & Co 1982, 52 Seiten. Mitarbeit: Franz Bernthaler, Christian Boschek, Christian Deutsch, Regina Egger, Werner Faymann, Thomas Gstettner, Michael Häupl, Wolfgang Jansky, Walter Kanov, Christa Krammer, Wolfgang Maurer, Andi Pittler, Alfred Schwinghammer, Babsi Seebauer (Grünes Archiv, Sammlung Peter Grusch)

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