11/366: Kärnten, Land unter der Käseglocke

auf dem Titelbild: Karin Prucha, die Spitzenkandidatin der Kärntner Grünen für die Landtagswahl 1994.
auf dem Titelbild: Karin Prucha, die Spitzenkandidatin der Kärntner Grünen für die Landtagswahl 1994. Foto: Fotostudio Mostegli, Layout / Graphik: Jo Frost.

„Land unter der Käseglocke. Der schwere Stand der Kärntner Grünen“, titelt das grüne Monatsmagazin „Impuls“ im Winter 1993 und kommentiert: „Die Grünen an Drau, Gail und Lavant sind neben dem Burgenland einer der wunden Punkte des Grünen Projekts“. Beim ersten Antritt zu einer Landtagswahl am 12. März 1989 hatte die „Wahlplattform Anderes Kärnten / Drugačna Koroška“, der auch die Grüne Alternative angehörte, nur 1,69% erreicht. Die Vereinten Grünen hatten 1,59% erzielen können. Karin Prucha, die grüne Spitzenkandidatin, will sich bei der Landtagswahl am 13. März 1994 „in die Höhle des Lindwurms“ wagen. Ein Portrait von Thomas Hohenberger aus dem Dezember 1993. Titel: „Langer Atem“.


//zitat// Die Enge im Land läßt viele KärntnerInnen das Weite suchen. Karin Prucha, Spitzenkandidatin der Kärntner Grünen für die Landtagswahlen im März, ging den umgekehrten Weg.

Karin Prucha zieht es schon früh Richtung Süden. Nach Kärnten, woher die Familie ihrer Mutter kommt. Zur Bundeshauptstadt hat sie bis heute keine wirkliche Beziehung entwickelt: „Wien habe ich nicht ausgehalten. Ich bin zwar dort zur Schule gegangen, aber sobald drei Tage frei waren, bin ich sofort nach Kärnten gefahren“. Kindheit und Jugend in der Bundeshauptstadt hinterlassen einen schlechten Nachgeschmack. So ist es nur logisch, daß sich ihre Blicke nach Beendigung der Schule immer begehrlicher auf Klagenfurt richten. Doch vorerst ist noch ein Zwischenstopp in Graz an der Reihe. Das geplante Studium an der Sozialakademie scheitert jedoch an nicht vorhandenen Wohnmöglichkeiten in der steirischen Hauptstadt. Statt einer Wohnung bekommt sie jedoch die Information, daß in Klagenfurt die Studienrichtung Medienkommunikation angeboten wird. „Ich habe mir gedacht, das ist so ein Mittelding aus Publizistik, Theater- und Politikwissenschaft“. Im Herbst 1983 startet die Kärnten-Liebhaberin deswegen einen neuerlichen Versuch in Sachen Studium, diesmal am Wörthersee. Wie sich nach und nach herausstellt, ist es zwar nicht das erhoffte Studium, dafür aber ein willkommener Grund, in Klagenfurt zu bleiben. Die politische Situation im Frühjahr ’84 ist auch für nicht in Kärnten Aufgewachsene kaum zu übersehen. Der Kärntner Heimatdienst heizt gerade mit seinem berüchtigten Schul-Volksbegehren [zweisprachige Schulen sollte es nur mehr in Orten geben, in denen Slowenisch zweite Amtssprache ist, was die Zahl auf ein Sechstel reduzieren würde, Anm.] die zumindest latent vorhandenen nationalistischen Ressentiments gegen die slowenische Volksgruppe an. Jörg Haider ist ohnehin nicht zu übersehen.„Da habe ich begriffen, wie es der slowenischen Volksgruppe geht“. Als die Studentin merkt, daß sie „selbst auch ein bißchen Vorurteile“ hat, aber nicht weiß, warum, beginnt sie sich systematisch über die slowenische Volksgruppe zu informieren. Im Studium engagiert sie sich immer mehr in der ÖH-Politik. Ab dem StudentInnenstreik 1987 ist sie hauptsächlich mit Uni-Politik beschäftigt. Daneben jobbt sie noch als Teeverkäuferin und als Interviewerin für eine Studie zur Arbeitslosigkeit im Auftrag des Sozialministeriums, die aber nie veröffentlicht wird. Für’s Studium bleibt kaum mehr Zeit.

Bei den ÖH-Wahlen 1989 schafft sie mit der zweisprachigen, grün-nahen Alternativen Liste Universität / Alternativa lista univerza (ALU) den Einzug in den Hauptausschuß. Nach zwei Jahren wird Prucha Volksgruppenreferentin der Hochschülerschaft und arbeitet im Solidaritätskomitee für die zweisprachige Schule mit. In dieser Zeit erfährt sie, daß ihre Mutter slowenischer Herkunft ist, dies aber stets verleugnet hat.  Das Kärntner Dilemma wird in seiner ganzen Tragweite plötzlich persönlich erlebbar: „Ich habe danach Ahnenforschung betrieben und bin draufgekommen, daß mein Vater rumänischer Herkunft ist. Ich hätte mehrsprachig aufwachsen können, bin aber nur deutschsprachig erzogen worden. Es war ein Schock für mich“. Der Konfrontation mit dem starken Assimilierungsdruck und seinen Folgen gibt sie jedoch sofort wieder eine politische Stoßrichtung und engagiert sich im zweisprachigen Kulturverein „Bierjokl/Pri Joklnu“ und in der IG-KIKK, dem  Dachverband der Kärntner Kulturinitiativen.

Zur Grünen Partei stößt die engagierte Studentenpolitikerin im Gefolge der Gemeinderatswahlen vom März ’91. Die Kärntner Landesorganisation zeigt zu dieser Zeit nach internen Querelen Auflösungserscheinungen. Als im Sommer das Grüne Büro mangels AktivistInnen unbesetzt ist, aber immer wieder VertreterInnen von Bürgerinitiativen und von Umweltproblemen Betroffene anrufen, um ihre Anliegen vorzubringen, ergreift sie den Hörer und fängt an zu recherchieren. „Verflucht noch einmal, ich konnte doch den Leuten nicht sagen, die Grünen gibt es nicht“, ärgert sie sich noch heute. Ende des Jahres sitzt sie im Landesvorstand. Die Arbeit im Grünen Projekt ist aufreibend und schleift ab. So aufreibend, daß ihr Co Franz Marenits im Sommer 1993 das Handtuch wirft. „Aus Frust über die mangelnde Zusammenarbeit“, benennt Prucha den Grund für den Ausstieg des Landesgeschäftsführers. Karin Prucha beweist einen langen Atem und macht weiter, gesteht aber ein, daß „die wenigen, die sich wirklich engagieren, dauernd völlig überlastet“ sind. Ob sie selbst auch schon daran gedacht hat, aufzugeben? „Ja, heuer im Frühjahr war ich sehr knapp dran, aufzugeben. Ich war ziemlich bedient“. Abhilfe schafft Kontemplation unter südlicher Sonne: „Ich bin ganz allein zwei Wochen auf Kreta herumgewandert und habe viel nachgedacht, auch über eigene Fehler“. Zur Zeit widmet sich die 29jährige vor allem der Vorbereitung des Wahlkampfes für die Landtagswahlen im  März nächsten Jahres. Um die Bewegung auf eine breitere und arbeitsfähigere Basis zu stellen, wäre nach Einschätzung Pruchas mehr Mut zum Standpunkt erforderlich. „Beim Deklarieren haben viele Leute Angst, ihren Job zu verlieren. Das ist eigenartig in Kärnten. Sie engagieren sich, sie wählen uns, aber sie deklarieren sich nicht. In diesem Land ist Mut bitter notwendig“.

Ihr Credo will sich die grüne Umweltsprecherin und Spitzenkandidatin im Rennen um einen Landtagssitz trotz aller Widerwärtigkeiten nicht nehmen lassen: „Ich höre nur dann auf, mich zu engagieren, wenn ich völlig hoffnungslos bin. Solange ich noch einen Funken Hoffnung habe, mache ich weiter. Deswegen bin ich bei den Grünen“. //zitatende//

Der Kärnten-Schwerpunkt aus der Zeitschrift Impuls 5 (1993) 12 zum Download: 011-landtagswahl1994-kaernten-impulsgruen (PDF, 10 MB)


Wie geht es weiter? Bei der Wahl am 13. März 1994 erzielt die Grüne Alternative nur 1,59%. Im zweisprachigen Gebiet kostet vor allem die slowenische „Enotna Lista„, die diesmal eigenständig kandidierte und 0,95% erreicht, Stimmen. Die VGÖ kommen auf 1.236 Stimmen und 0,35%. Am 7. März 1999 treten die Kärntner Grünen gemeinsam mit dem Liberalen Forum, der slowenischen „Einheitsliste“ und den VGÖ als Liste „Demokratie 99“ an, verfehlen jedoch mit 13.056 Stimmen und 3,92% den Einzug in den Landtag. Das beste Ergebnis des Bündnisses wird mit 32,32% in der im gemischtsprachigen Gebiet an der Grenze zu Slowenien gelegenen Gemeinde Zell/Pfarre / Sele-Fara erzielt. Der Einzug in den Landtag gelingt erstmals am 7. März 2004, wo die Grünen 6,71% und damit zwei Mandate erreichen. Abgeordnete werden Rolf Holub und Barbara Lesjak. Die besten Einzelergebnisse werden in Krumpendorf am Wörther See / Kriva Vrba (15,85%) sowie in den zweisprachigen Gemeinden Globasnitz / Globasnica (15,04%) und Feistritz ob Bleiburg / Bistrica nad Pliberkom (13,64%) erzielt. In der Stadt Klagenfurt / Celovec, wo die Grünen mit 12,98% sogar die ÖVP überholen, wird der Grundstein für das für einen Erfolg notwendige Grundmandat gelegt.

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