26/266: Wiener Bezirksvertretung: Teilhabe an der Machtlosigkeit

026-silvia-nossek-zehnjahre-bezirksvertretungSilvia Nossek, seit kurzem grüne Bezirksvorsteherin in Wien-Währing, erinnerte sich 1998 an zehn Jahre Grüne in der Bezirksvertretung zurück und formulierte ihre Vorstellung einer zeitgemäßen Bezirkspolitik. Ihr „Plädoyer für mehr Bürgerdemokratie“ mit dem Titel „Teilhabe an der Machtlosigkeit“ erschien in der Ausgabe Juni 1998 der Zeitschrift BIN.


//zitat// Die Bezirksvertretung als Parlament der Wählerinnen und Wähler. Politik im Kleinen, von unten und daher besonders nahe an den BürgerInnen. Politik, die nicht von Profis, sondern von engagierten Mitgliedern der Bevölkerung gemacht wird, die bei der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensbereiches mitgestalten wollen. So ungefähr stellten wir Grüne uns Bezirkspolitik vor.

Die ersten Monate waren dann relativ ernüchternd: Parkbänke solle das Stadtgartenamt aufstellen, ein Baum gepflanzt oder Gehsteige abgeflacht werden – dies war das Tätigkeitsfeld, wie es die Großparteien für sich definierten. Anträge wurden nur gestellt, wenn sich ÖVP, SPÖ und FPÖ einig waren, und konnten so auch ohne jede Diskussion abgestimmt werden. Dem wollten wir uns nicht beugen und begannen mit viel Ehrgeiz anders zu sein: Wir stellten Anträge, auch wenn sie abgelehnt wurden – was im übrigens fast immer der Fall war. Im Gegensatz zur oft wortlosen Ablehnung unserer Anträge wurden die Anträge der anderen Parteien von uns diskutiert und unsere Zustimmung oder Ablehnung auch begründet. Was uns innerhalb kürzester Zeit den schlechten Ruf einbrachte, durch unser vieles Diskutieren die Sitzungen unnötig zu verlängern.

Wir waren in diesen Jahren ohne Zweifel die Musterschüler der Bezirksvertretung. Mit viel Elan präsentierten wir Verkehrskonzepte, diskutierten und befuhren mögliche Radruten und entwarfen Alternativbudgets. Faktisch geändert hat sich durch unseren Eifer wenig – die schwarz-roten Mehrheitsbeschaffer des Bezirkskaisers blockieren bis heute. Erreicht haben wir immerhin eine Änderung der Diskussionskultur – heute werden die unterschiedlichen Anträge nicht mehr ausschließlich von den Grünen diskutiert – und eine Aufgabe der alten Blockstrukturen, in denen ÖVP, SPÖ und FPÖ prinzipiell gemeinsam stimmten.  //zitatende//


Download des gesamten Beitrags von Silvia Nossek (1998): 026-silvia-nossek-zehnjahre-bezirksvertretung (PDF, 0,6 MB)
Download der Broschüre „Grüne in den Bezirksvertretungen. Die ersten zehn Jahre“ (1997):  026-broschüre-10-jahre-grüne-bezirksvertretungen.pdf

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