Heute vor 26 Jahren, am 26. April 1992, erreichte der grünalternative Kandidat Robert Jungk im ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl 266.954 Stimmen und 5,75%.
Bundesländerergebnisse: Vorarlberg 9,91%, Wien: 8,46%, Salzburg: 7,92%, Tirol: 6,97%, Oberösterreich: 5,74%, Steiermark: 4,71%, Niederösterreich: 3,83%, Kärnten: 3,83%, Burgenland: 2,64%. Die besten Einzel-Ergebnisse verzeichnete er in den Wiener Bezirken Josefstadt (17,27%) und Neubau (16,41%) sowie in der Vorarlberger Gemeinde Klaus (15,57%).
Unterstützung, ebenso unerwartet wie ungewöhnlich, erhielt der Zukunftsforscher und Publizist Jungk vom Aktionskünstler Heinz Baumüller. Der 1950 im oberösterreichischen Kollerschlag geborene Bildhauer und Graphiker wollte zunächst selbst kandidieren, gab aber dann sein Vorhaben auf und unterstützte Jungk mit verschiedenen Aktionen. „Angefressen auf Österreich“ ist das Portrait Baumüllers von Alexandra Grasl betitelt (erschienen in „Impuls Grün“, April 1992, S. 22).
// Mit düsterer Miene, im Frack und schärpengeschmückt, blickt er dem österreichischen Wählervolk ins Angesicht: Auf Plakatwänden bietet sich Heinz Baumüller für das höchste Amt im Staat an. Nun hat der Künstler seine Kandidatur zurückgezogen, um Robert Jungk zu unterstützen.
Seit 1988 stechen seine lapidaren Slogans auf Werbeflächen zwischen Salzburg und Wien ins Auge. So warnt Baumüller auf dem ersten Plakat, es sei „Höchste ÖBB“und appelliert: „Am besten wählen Sie mich noch heute“. Unter dem Titel „Advent“ fordert er mit einer Erstkommunikanten-Kerze in der Faust „Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit“. In die Neutralitätsdebatte schaltet er sich mit der Frage „Worum geht’s?“ ein und läßt sich mit einer Stange voller Würste im Hintergrund abbilden. Entgegen der Ansicht mancher ZeitgenossInnen, die Plakate seien als Gag aufzufassen, meint es Baumüller „todernst. Die Plakate sind kein Spaß. Sie sind Kunst und als Denkanstoß gedacht.“ Seinen grimmigen Gesichtsausdruck erklärt er damit, „weil ich so angefressen bin auf Österreich“.
Den gebürtigen Mühlviertler verschlug es, nachdem er Grafik und Bildhauerei studiert hatte, vor elf Jahren nach Düsseldorf. Der Beuys-Mitarbeiter wurde vor allem als Aktionskünstler bekannt. Den Einfall, sich für das österreichische Präsidentschaftsamt zu bewerben, bekam Baumüller, als er 1987 Waldheim brieflich zum Rücktritt aufforderte. Dem Griff zur Feder war die Konfrontation mit dem schwelendem Antisemitismus der ÖsterreicherInnnen vorausgegangen: „Ein Bekannter beklagte sich über die ‚jüdische Hetzkampagne‘ gegen Waldheim und behauptete, Hitler habe zu wenige Juden vergast. In der Schule meiner Nichte gilt es als ‚in‘, Antisemit zu sein.“ Dazu gesellten sich Aussagen von ÖVP-und FPÖ-Politikern, die Baumüller erbosten. Er forderte Waldheim auf, mit seinem Rücktritt ein Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen. Die Antwort aus der Hofburg fiel – erwartungsgemäß – negativ aus: Die Präsidentschaftskanzlei schob die Verantwortung für den Rechtsruck jenen in die Schuhe, „die ohne irgendwelche Beweise eine derartige Verleumdungskampagne gegen den Herrn Bundespräsidenten entfacht haben“. Daraufhin beschloß Baumüller, „die Sache selbst in die Hand zu nehmen“.
Seither entwirft er jährlich ein Plakat und einen „Brief an das Österreichische Volk“. Darin fordert der Künstler, endlich dem „Filz in diesem Parteiensystem“ abzuschwören, um der direkten Demokratie den Weg zu ebnen. Zur Zeit arbeitet er an der Initiierung eines Volksbegehrens für direkte Demokratie in Österreich. „Die Leute sollen sich nicht länger auf Politiker verlassen, die nur Marionetten der Großkonzerne sind. Wie hätte sonst dieser Wahnsinn, ein FCKW-Verbot erst 1995 zu erlassen, zustande kommen können“, ruft Baumüller seine Landsleute auf, selbst initiativ zu werden. Die Grünen möchte er weiterhin in der Oppositionsrolle sehen.
Robert Jungk, dessen Kandidatur Baumüller mit einem neuen Plakat unterstützt, bezeichnet er als „Jahrhundertchance“. Leider hätten das die meisten Menschen noch nicht erkannt: „Sie machen weiterhin dort ihr Kreuzerl, wo schon der Vater eines hingemalt hat“, entrüstet er sich über das traditionelle Wahlverhalten der ÖsterreicherInnen. Bis zum Wahltag führt ihn eine Ausstellungstournee nach Graz, Wien und Salzburg, in deren Rahmen für Jungk geworben wird. Den übrigen Kandidaten kann er nichts abgewinnen: Rudolf Streichers Slogan „Kraft der Verantwortung“ erinnere ihn an den Nazispruch „Kraft durch Freude“. Mit dem Motto „Die Zeit ist reif für die erste Frau im Staat“ könnte er sich identifizieren, doch „leider kommt die Kandidatin [Heide Schmidt] aus der braunen Kiste“. An eine Aufgabe seiner Präsidentschafts-Plakate denkt er nicht: „Nach der Wahl mache ich weiter“.
Während seine „Briefe an das Österreichische Volk“ in Deutschlands Medienszene auf großes Echo stoßen, muß Baumüller bedauernd feststellen, daß sich die heimische Presselandschaft größtenteils in Ignoranz übt. „Aber“, tröstet er sich, „Zeitungsartikel verschwinden, Plakate bleiben in Erinnerung“. Er könnte sich vorstellen, eine Plakatserie zum Thema Vergangenheitsbewältigung zu gestalten, da sich Österreich noch immer in der Opferrolle gefalle. „Deshalb lebe ich auch in Deutschland, die Leute dort sind sich wenigstens ihrer Schuld bewußt.“ //