Im September 2016 wird die grüne Bundesfrauenkonferenz „Frauen stärken durch Grüne Politik“ in Wien stattfinden. Ein sehr wichtiger Programmpunkt: der Startschuss zur Gründung der Grünen Frauen Österreich. Bisher gab es grüne Frauenorganisationen nicht in allen Bundesländern und nicht auf Bundesebene. Die Grünen Frauen Wien dagegen feiern heuer bereits ihr 30-Jahr-Jubiläum (hier das Programm der Feier rund um die Bundesfrauenkonferenz: 203-30-jahre-grüne-wien)
Braucht eine Partei, die „feministisch“ als einen von sechs Grundwerten hat und bei Kandidaturen die Parität einhält, eine eigene Frauenorganisation? Einen Eindruck von den entsprechenden Diskussionen in den 1990er Jahren liefert der Artikel „Die Hälfte des Himmels“, den Ingrid Gurtner 1992 in der Zeitschrift „Brot & Rosen“ veröffentlicht hat.
„Das Beste, das die katholische Kirche je hervorgebracht hat, sind ihre Ketzer“ – mit diesem Satz leitete der Hochschulseelsorger von Salzburg in den siebziger Jahren seine Stellungnahmen zur Kirchengeschichte ein und auch wenn es um die heutige Rolle dieser Kirche ging, war dieser Satz ein geflügeltes Wort.
Seit ich mich erinnern kann, spiele ich mit Begeisterung eine Rolle, die ich für die einer „Ketzerin“ halte.
Als Lehrerin flog ich zweimal aus katholischen Privatschulen. Dazu reichte zu Beginn der achtziger Jahre schon, den Lehrplanauftrag für das Fach Biologie zu erfüllen, nämlich Sexualkunde nicht nur an Tieren, sondern auch an menschlichen Beispielen zu behandeln.
Mein Erstkontakt zur Grünen Alternative war die Frage: „Wo finde ich die Grüne Frauenorganisation ?“ Als mir die damalige Bürofrauschaft einhellig erklärte, daß man so etwas bei den Grünen nicht brauche, wußte ich seit dieser Minute, welche Rolle ich in dieser Partei spielen wollte.
Gewohnt, daß Kirchenfunktionäre und Kleriker auf feministische Fragestellungen mit: „Die heilige Jungfrau Maria“ oder persönlichen Beleidigungen der Fragestellerin antworteten, erlebte ich nun ähnliche Abwehrstrategien in „grün“ – von Frauen und von Männern.
Frauen aus dem damaligen Wiener Landesvorstand diskutierten mit uns, ob wir als Gruppe überhaupt existieren dürften.
Viele meinten, unsere Gruppe sei ein „Ghetto“, in dem sich Frauen einigeln, und ihre Qualitäten und ihr Engagement für die Grüne Partei verloren sei.
In jener berüchtigten Landesversammlung, in der es um die Wahl der Kandidatinnen für die Nationalratswahl ging, erlebte ich die Herzattacke von Freda Meissner-Blau und den Verzweiflungsausbruch von Erica Fischer. In einem beispiellosen Gewaltakt wurden damals die Wahlergebnisse der dortigen Versammlung für null und nichtig erklärt und Freda Meissner-Blau zog als Klubobfrau mit einer siebenköpfigen Männerriege ins Parlament. Damit war die autonome Frauenbewegung als Bündnispartnerin für die GA für immer verloren.
Die verzweifelten Versuche der übrig gebliebenen Feministinnen der GA [Grüne Alternative, Anm.] eine österreichweite Frauenorganisation zu gründen, schlugen fehl. Elfie Schuh, eine der Hauptbefürworterinnen einer österreichweiten grünen Frauenorganisation stand ohne ausreichenden Rückhalt in der Partei da, zog daraus die Konsequenzen und verließ die Partei. Viele Frauen sind damals gegangen.
Das Häuflein der „Übriggebliebenen“ trat den langen Marsch durch die Parteiinstitutionen an.
Der Kampf um Anerkennung und Geld zehrte die Kräfte der Gruppe beinahe auf, die Gruppe schrumpfte auf einen harten Kern von fünf Frauen. Monatelang hielten überhaupt nur zwei Frauen den Betrieb aufrecht, erledigten die Post und bildeteten das Redaktionsteam für die Zeitung. die von der Grünen Bildungswerkstatt finanziert wurde, da innerhalb der Partei keine Mittel dafür aufzubringen waren.
Mit Schrecken erinnere ich mich an ein österreichweites Frauentreffen, in dem die schwelenden Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppierungen in einen offenen brutalen Kampf mündeten. Frauen griffen diejenigen Frauen, die innerparteilich eine hohe Funktion erreicht hatten, als sogenannte „Männerfrauen“ an und erklärten öffentlich im Plenum, sie hätten ihre Funktion nur über das Bett hoher männlicher Funktionäre erkauft.
Mit vor Wut kalkweißen Gesichtern erklärten Frauen einander den Kampf: Solange sie etwas zu reden hätte, hätte die Gegnerin keine Chance auf eine Führungsposition. wo auch immer, innerhalb der GA. Funktionärinnen verließen frühzeitig aus Selbstschutz das Frauentreffen und ließen sich seit damals nie mehr auf einem Frauentreffen blicken.
Meines Wissens fand später nur noch einmal ein bundesweites Frauentreffen statt – mit speziell ausgewählten Frauen – zu einem juridischen Thema.
Seitdem herrscht Funkstille. Mit dem Durchsetzen der Parität im Parlamentsklub ist offiziell die „Frauenfrage“ gelöst.
Seit 1988 ist die Frauenorganisation der GA Wien als Teilorganisation der Grünen Alternative Wien anerkannt und wird von der Wiener Partei wie eine Bezirksgruppe finanziert. In allen anderen Bundesländern gibt es keine Frauenorganisationen [das hat sich mittlerweile geändert, Anm.].
Zum Weiterlesen
- Erica Fischer: „Umstritten. Erinnerungen einer Deserteurin an die Waldheimat“ (1988)