1994 veröffentlichte das Freiheitliche Bildungswerk das Buch „Molotow-Müsli“, das der freiheitliche Historiker und heutige Wiener Gemeinderat Martin Hobek über die Grünen geschrieben hatte. Unser Gastautor Dr. Stefan Wolfinger hat sich den Band genauer angesehen.
Die „Grünen“ seien Linksextreme, ja sogar mit dem Terrorismus würden sie sympathisieren: Das wollte der freiheitliche Historiker Martin Hobek beweisen, als das Freiheitliche Bildungswerk 1994 das Buch „Molotow-Müsli. Die marxistische Vergangenheit und Gegenwart der ‚Grün‘-Alternativen“ im Eigenverlag publizierte. Seine These: Mit einem theoretischen Unterbau von Karl Marx und Antonio Gramsci würden „die Grünen“ versuchen, auch in Österreich eine unumschränkte bolschewistische Bonzenherrschaft zu errichten. Umweltschutz und Sorge um die Natur? Alles nur Deckmäntelchen. In Wahrheit seien die „Grünen“ eine „Melonenpartei“ – außen grün und innen rot.
Das „Molotow-Müsli“
Hobek vermutete zu Recht, dass die Leserinnen und Leser mit dem Begriff „Molotow-Müsli“ im Buchtitel nichts anfangen könnten. Daher versuchte er zu erklären: „[…] wenn man sich einige Wochen mit den Grün-Alternativen innerhalb und außerhalb der Parlamentspartei GAL beschäftigt hat und nach einem möglichst bezeichnenden Symbol sucht, so kommt man von der Assoziation mit dem Molotow-Cocktail nicht mehr weg. Sehr viele Grün-Alternative würde an diesem Titel aber das ‚Cocktail‘ stören; nicht nur weil die deutsche Übersetzung (‚Hahnenschwanz‘) an die Heimwehr erinnert, sondern vor allem, weil dieses Getränk ein Ausdrucksmittel der ‚herrschenden Klasse‘ ist. Da ist das Müsli schon eher ‚in‘. Darüber hinaus verkörpert ‚Molotow-Müsli‘ viel besser die Ambivalenz der Grün-Alternativen, die freilich nur nach außen hin gegeben ist.“
Ziel der „Dokumentation“ Hobeks war es, anhand von angeblichen Fakten die „Menschen vor Missbrauch [zu] schützen“. Dass sich die Publikation aber nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern vielmehr an Personen mit ideologischem Naheverhältnis richtete, zeigte sich in einem weiteren Anliegen: „Die Ausführungen sollen […] auch ein Appell an jene Freiheitlichen sein, die sich fortwährend für ihre Existenz entschuldigen: Leistet Widerstand, ein Rückgrat ist nicht zum Blumengießen da!“
„Lindenstraße“ als Instrument der Linken
Für den Autor stand jedenfalls fest: „Die Infiltration und Zerrüttung der menschlichen Gesellschaft durch den Marxismus bzw. den Gramscismus ist speziell in Österreich bereits sehr weit fortgeschritten. Die Grün-Alternativen mischen hier zweifellos kräftig mit.“ Hobek machte allerdings auch eine Fernsehserie wie die „Lindenstraße„, die Musikgruppe EAV und „diverse Kabarettisten“ als Instrumente der Linken aus, mit denen eine „kulturelle Hegemonie“ im Sinne Gramscis erreicht werden sollte.
Die „Marschroute der Linksextremen“
Zu Beginn des Buches steht eine Art Übersicht, die zeigen soll, wie groß die „marxistische/linksextreme/bolschewistische/kommunistische“ Gefahr sei. Hobek machte sich dabei nicht die Mühe, die einzelnen Begriffe zu definieren. Er skizzierte die „Marschroute der Linksextremen“ folgendermaßen: Ihre Ziele seien die „restlose Kollektivierung der menschlichen Individuen in der Klasse“, die „Verschmelzung von ‚Klasse‘ und Staat“ sowie „Diktatur und Machtgenuß“. In ihrer „Initialphase“ seien die Linksextremen zwar nur eine verschwindende Minderheit, diese schaffe allerdings die geistigen Grundlagen und sorge für Unruhe, Polarisierung und Destabilisierung. Die linke Ideologie würde Unzufriedene, Passive und Unerfahrene verführen.
In weiteren Stufen würden sich die Linksextremen etablieren, die Macht ergreifen („notfalls mit Masseneinwanderung“) und schließlich zur unumschränkten Herrschaft gelangen. Der zum Zeitpunkt seiner „Dokumentation“ nur wenige Jahre zurückliegende Zerfall der Sowjetunion und des Ostblockes stellte für Hobek keinen Grund zur Entwarnung dar. Denn obwohl die „Konterrevolution“ unvermeidlich gewesen sei, würden die Linksextremen ihre Marschroute immer wieder von Neuem beginnen.
Assoziatives Namedropping
Nachdem Hobek seine These dargelegt hat, warum er den Linksextremismus und somit auch die Grün-Alternative Partei so gefährlich findet, die bei den Nationalratswahlen von 1990 4,78 und 1994 7,3 Prozent der Stimmen erreicht hatte, beginnt er, die Gefahr zu personalisieren. Er setzt zu einem Namedropping an, das sich bis zum Ende der Publikation durchzieht. Allein auf der Seite 126 führt er 23 grüne PolitikerInnen sowie KünstlerInnen namentlich an, die „Jünger des [marxistischen Theoretikers] Antonio Gramsci“ sein sollen. Alle österreichischen GrünpolitikerInnen, die nach Hobeks Ansicht Sympathie für „linksextreme“ Ansichten geäußert hätten, werden vermerkt. Prominente Grüne wie Günther Nenning, Freda Meissner-Blau, Madeleine Petrovic und Peter Pilz kamen genauso wie MandatarInnen auf Bezirksebene zur zweifelhaften Ehre, ihren Namen fett gedruckt in Hobeks Buch wiederzufinden.
Fehlende Quellenkritik
Martin Hobek, der im Publikationsjahr Geschichte studierte, nutzte ausschließlich Zeitschriften als Quellen, wobei er die Wochenzeitung „Falter“ quasi als grün-alternatives Parteiblatt ansah. Er zitiert zudem häufig aus den Blättern „MOZ“, „TATblatt“ und „akin„. Hobeks „Methode“ bestand darin, grün-alternative PoltikerInnen mit linksextremen Personen, Äußerungen oder Theorien in Verbindung zu bringen. Dabei riss er Zitate aus dem Zusammenhang, belegte Äußerungen nicht und überprüfte Behauptungen nicht mithilfe anderer Quellen. Er verzichtete kurz gesagt auf das wichtigste Instrument von Historikerinnen und Historikern: die Quellenkritik. Stattdessen arbeitete er assoziativ. Eine seiner Assoziationsketten war beispielsweise: Die deutsche Grünpolitikerin Petra Kelly (ein Vorbild für die österreichischen Grünen) soll Tito-Jugoslawien als politische Idealvorstellung genannt haben. Es folgte ein Bild des Staatschefs Jugoslawiens mit der Bildunterschrift „ALÖ-Vorbild Josip Broz (Gründer der ‚Tajna Internacionalna Terroristica Organizacija‘ (Geheime Internationale Terror-Organisation), nach der er sich TITO nannte)“. Und schon habe man einen Zusammenhang zwischen Grünen und kommunistischen Terror.
Unterstellte RAF-Sympathien
Ein anderes Beispiel für Hobeks Logik zeigte sich im „Fall Pitsch“. Reinhard Pitsch, Unterstützer der linksextremistischen Terrororganisation „Bewegung 2. Juni„, war zwischen 1977 und 1981 wegen Beteiligung an der Entführung des Wiener Textilunternehmers Walter Michael Palmers inhaftiert. 1987 veröffentlichte Pitsch einen Leserbrief im „Falter“. 1988 erschien in der Zeitschrift der grün-alternativen Monatszeitschrift „MOZ“ ein Artikel, in dem Pitsch ebenfalls zu Wort kam – für Hobek Beweis genug, den Grünen Sympathien für die RAF zu unterstellen.
Aus heutiger Sicht kurios ist, dass für Hobek die Kontakte grüner PolitikerInnen mit dem libyschen „Revolutionsführer“ Gaddafi Anzeichen für Linksradikalität waren, sollten doch auch freiheitliche Politiker, allen voran Jörg Haider, intensive Kontakte zur Familie Gaddafi unterhalten.
Robert Jungk gleichzeitig im linken und im rechten Eck
Nicht ganz schlüssig in das Bild der linksextremen Grünen passte Zukunftsforscher Robert Jungk, der 1992 der grüne Kandidat für die Bundespräsidentschaft war. Hobek zitierte einen Sprecher der KPÖ, der Jungk als einzig wählbaren Kandidaten bezeichnete. Gleichzeitig versuchte Hobek mit Zitaten aus Publikationen, die sich „in Form von Kopien im Besitz des Autors“ befänden, Jungk als Bewunderer der nationalsozialistischen Wehrmacht darzustellen. Der Autor verwendete hier die gleiche Strategie wie Jörg Haider, der Jungk 1992 vor der Bundespräsidentenwahl unterstellte, er habe 1942 im Schweizer Exil eine „Jubelbroschüre“ für das Dritte Reich geschrieben. Jungk klagte Haider deswegen erfolgreich vor Gericht.
Spätestens am 3. Dezember 1993 zeigte sich, dass Hobeks Vorstellungen von der linksextremen und grünen Terrorgefahr an der Wirklichkeit vorbeigingen. Mit der Explosion der ersten Briefbombe wurde Österreich von einer Terrorwelle erfasst, die von rechts seinen Ausgang nahm.
Zur Person Martin Hobek
Martin Hobek war in seiner Studienzeit ein Gründungsmitglied der „Plattform Siegfriedskopf“, die für den Verbleib des historisch belasteten Kriegerdenkmals in der Aula der Universität Wien kämpfte. Er publizierte in den rechtsextremen Zeitschrift „Aula“ und der von der „Österreichischen Landmannschaft“ herausgegebenen Reihe „Eckartschrift“. Heute ist Martin Hobek Abgeordneter der FPÖ zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien.
Martin Hobek: Molotow-Müsli. Die marxistische Vergangenheit und Gegenwart der „Grün“-Alternativen. Kontrovers Nr. 3. Schriftenreihe des Freiheitlichen Forums. Wien 1994