„Für die Aktivisten der ALNÖ und sicherlich auch der grün-alternativen Bewegung stellt es eine Verhöhnung und Provokation ohnegleichen dar, wenn Personen solcher Couleur und Ausrichtung in diesem Spektrum Einfluß bis hinauf zu höchsten Positionen gewinnen konnten“. So heißt es in einem offenen Brief der Alternativen Liste Niederösterreich über den damaligen Landesvorsitzenden der niederösterreichischen Vereinten Grünen. Die ALNÖ arbeite auf verschiedenen Ebenen gut mit den VGNÖ zusammen, sei aber für eine Einigung der grün-alternativen Bewegung nur auf Grundlage des Antifaschismus offen.
Der Brief vom 25. Februar 1986 wurde im Alternativenrundbrief 2/1986 abgedruckt.
Offener Brief an die Landesleitung der VGNÖ
Wie sich herausgestellt hat, ist der Landesvorsitzende der Vereinten Grünen NÖ, Hermann Soyka, Herausgeber und Schriftleiter einer rechtsradikalen Zeitschrift („Gesundes Leben“, vereinigt mit „Fanale der Zeit“ [Untertitel „Zeitschrift für Volksgesundheit und zur freimütigen Erörterung von Lebensproblemen „, Anm.). Die Zeitschrift huldigt der Erbgesundheitslehre, vertritt biologistisches, rassistisches Gedankengut und antidemokratische Inhalte usw. Sie liegt im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) auf, Verbindungen hin zur restlichen rechtsextremen und rechtsradikalen Szene sind im Buch „Rechtsextremismus in Österreich nach 1945“, einem einschlägigen Standardwerk, umfassendst dokumentiert.
Für die Aktivisten der ALNÖ und sicherlich auch der grün-alternativen Bewegung stellt es eine Verhöhnung und Provokation ohnegleichen dar, wenn Personen solcher Couleur und Ausrichtung in diesem Spektrum Einfluß bis hinauf zu höchsten Positionen gewinnen konnten.
Die ALNÖ tritt ein für die Einheit der grün-alternativen Bewegung und hat erst unlängst den Beschluß gefaßt, auch die Kooperation mit den VGNÖ zu intensivieren. Auf lokaler Ebene klappt die Zusammenarbeit zwischen AL und VG vielerorts bereits bestens.
Unsere antifaschistische und demokratische Gesinnung verbietet es jedoch, mit derlei bedenklichen Personen zusammenzuarbeiten. Die VGNÖ werden sich daher entscheiden müssen, ob sie sich der grün-alternativen Bewegung zugehörig fühlen, oder aber lieber der Ideologie von anno nazimal huldigen möchten, wie es so schön auf einem Flugblatt heißt, welches bei der letzten Bundesversammlung der VGÖ verteilt worden ist [siehe dazu Anmerkung unten]. Klare Konsequenzen personeller und inhaltlicher Natur seitens der Vereinten Grünen sind daher eine Vorbedingung für eine weitere Zusammenarbeit mit der Alternativen Liste.
Wir würden es bedauern, wenn sich die Vereinten Grünen nicht dazu entschließen könnten, Hermann Soyka, Stefan Micko, und allen anderen, die ihnen ideologisch nahestehen und sich nicht klar als antifaschistische Demokraten deklarieren möchten, abzusagen und auf ihre Mitarbeit in einer grünen Partei verzichten zu können.
Für die Einigung der grün-alternativen Bewegung auf Grundlage des Antifaschismus:
Gerhard Schattauer für den Geschäftsführenden Ausschuß der ALNÖ //
Hintergrund
Bei der Bundesversammlung der Vereinten Grünen im Februar 1986 verteilten VGÖ-Mitglieder Flugblätter mit dem Titel „Wie ‚braun‘ sind die Vereinten Grünen Österreichs?“. Dem niederösterreichischen Landesvorsitzenden Hermann Soyka wurde darin vorgeworfen, die „Tradition von anno nazimal“ zu pflegen und für „Rassenreinheit, Erbgesundheitslehre und gegen die Integration von Ausländern“ einzutreten. Soyka verklagte daraufhin den Autor bzw. Herausgeber der Flugblätter und bekam in erster und zweiter Instanz recht – der Verfasser wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Ausführlich dazu:
- Alexander Pollak / Ruth Wodak: Der ausgebliebene Skandal. Diskurshistorische Untersuchung eines Wiener Gerichtsurteils. Wien : Czernin 2001 (Grünes Archiv, Inventarnummer 354)
- Ludwig Jäger: Rechtsprechung und Vergangenheitspolitik. Notizen aus Anlass von Alexander Pollaks und Ruth Wodaks Buch „Der ausgebliebene Skandal“ (PDF)
- Christoph Burgmer: Besprechung von Alexander Pollak / Ruth Wodak. Der ausgebliebene Skandal. In: Deutschlandfunk, 22. Juli 2002