In sieben Buttons um die Welt – Fundstück des Monats 09/24

Passend zum Ferienende entführen uns die Fundstücke des Monats September noch einmal in die Ferne: es handelt sich um insgesamt sieben Buttons der Anti-Atom-Bewegung in sieben Sprachen. Was würde sich also besser eignen als ein Streifzug durch die atomare Vergangenheit und Gegenwart der Herkunftsländer.

 

 

 

 

Atomkraft? Nein danke. – Österreich und Deutschland

Anmerkung: Im folgenden Abschnitt werden für Gebiete, die sich heute außerhalb Russlands befinden, die jeweils lokale Bezeichnung verwendet.

 

Etwa zwei Stunden mit der Bahn vom Archiv entfernt liegt ein Denkmal der frühesten grünen Geschichte. 1972 begann der Bau der größten österreichischen Investitionsruine, dem Kernkraftwerk Zwentendorf. Kurz darauf, nämlich 1975, nahm die österreichische Anti-Atombewegung Fahrt auf und 1978 gab es eine Volksabstimmung, welche sich knapp gegen die Nutzung von Kernkraft entschied. Derzeit gibt es in Österreich genau einen aktiven Kernreaktor: Den Versuchsreaktor der TU Wien im Wiener Prater.

Die Diskussionen rund um Zwentendorf führten auch zur Etablierung einer interdisziplinären, historischen Erdbebenforschung bei der ZAMG.

 

Unsere Reise führt uns weiter nach Deutschland, wo in etwa zur selben Zeit in der kleinen, südwestdeutschen Gemeinde Wyhl ein Atomkraftwerk errichtet werden sollte. Durch harte Proteste und Baustellenbesetzungen konnte der Bau des Kraftwerks verhindert werden – nicht aber die Erzeugung nuklearer Energie in Deutschland. Nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima kam es zu einem Meinungswechsel innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die letzten drei Kernreaktoren Deutschlands wurden am 15.4.2023 abgeschaltet.

 

NUCLEAIRE? NON MERCI – Frankreich

 

Auch die französische Anti-Atom-Bewegung entstand in den 1970er Jahren, allerdings aus einem anderen Anlass: Atomwaffentests in Französisch-Polynesien. Die Strategie der Aktivisten war simpel, aber effektiv: Man fuhr mit einem Boot in das Versuchsgebiet. Dies führte unter anderem zur Opération Satanique, bei der Agenten des französischen Auslandsgeheimdienstes das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ im Hafen von Auckland versenkten.  Der letzte Atomwaffentest Frankreichs fand 1996 statt.

Trotz zahlreicher Proteste vor und nach Fukushima ist Frankreich weder atomwaffen- noch atomkraftfrei.

 

¿NUCLEAR? NO GRACIAS – Spanien

 

Die spanische Regierung drängte bereits früh auf den Bau von Atomkraftwerken, und so wurden in den späten 1950er und den 1960er Jahren Pläne für deren Realisierung dargelegt. 1964 begann der Bau der ersten Kraftwerke. Die in den frühen 1970er-Jahren aufkeimende Anti-Atombewegung Spaniens hat eine in Blut geschriebene Geschichte: Im März 1974 begann der Bau des Atomkraftwerks Lemóniz im Baskenland – und das ohne Genehmigungen oder Sicherheitsprüfung. Schon bald formierte sich Widerstand gegen das Kraftwerk, doch die friedliche Anti-Atombewegung sollte einen unliebsamen Verbündeten erhalten: Die baskische Terrorgruppe ETA. Diese griff 1977 und 1978 das Kraftwerk mit Waffengewalt und Bomben an – drei Menschen starben. Die Gewalt eskalierte und forderte auch Menschenleben in der friedlichen „Atomkraft? Nein Danke“-Bewegung. Der Bau der Reaktoren wurde 1984 eingestellt, und die sozialdemokratische Regierung ließ nur 10 der geplanten 37 Kraftwerke bauen.

Heute sind noch sieben davon in Betrieb, welche bis 2035 abgeschaltet werden sollen.

 

NUCLEAR POWER? NO THANKS – UK und USA

 

Eine der ältesten antinuklearen Gruppen der Welt findet sich im Vereinigten Königreich: die CND – Campaign for Nuclear Disarmament. Im November 1957 veröffentlichte der Schriftsteller JB Priestley einen Artikel, in dem er zur globalen Abrüstung aufrief. Die Botschaft fand Anklang bei den Lesern, und einige Monate später, im Februar 1958, trafen sich 5000 Menschen zum ersten CND-Treffen. Bei ihrem ersten Marsch zur Atomwaffenfabrik in Aldermaston führten sie zum ersten Mal das „Peace“-Zeichen mit.

Bis heute setzt sich CND für Abrüstung und Frieden in der Welt und in Großbritannien ein. Auch Zahlreiche weitere Gruppierungen sind im Vereinigten Königreich gegen Atomwaffen und Atomkraftwerke aktiv.

Derzeit hat das Vereinigte Königreich neun Reaktoren in Betrieb, und wird diese aufgrund des Krieges in der Ukraine nicht abschalten.

 

Die USA sind das „Heimatland“ der Atomenergie und der Atomwaffen: im Zuge der Bemühungen, die erste Atombombe zu bauen, entstand 1942 unter einem Football-Feld der University of Chicago der erste künstliche Kernreaktor. Am 16. Juli 1945 wurde in New Mexico die erste Atombombe gezündet.

Es überrascht also nicht, dass es in den USA nicht nur eine Anti-Atombewegung, sondern gleich 80 verschiedene Gruppen gibt. Diese formierten sich in den 1970er und den 1980er Jahren als Reaktion auf zum Teil schwere Störfälle, wie zum Beispiel die partielle Kernschmelze des Atomkraftwerks Three Mile Island. In der heißen Phase des Kalten Krieges fanden Anti-Atomwaffenbewegungen wie Nuclear Freeze regen Zulauf.

Unter den amerikanischen Gegnern und Kritikern der Atomenergie und der nuklearen Kriegsführung finden sich in der Umweltbewegung bekannte Namen wie Amory Lovins oder Barry Commoner.

 

原子力? おことわり [Genshiryoku? Okotowari] – Japan

Anmerkung: Japanische Namen werden im folgenden Abschnitt nach dem japanischen System angegeben. Der Nachname steht vor dem Vornamen.

 

Nachdem der Trinity-Test in den USA nicht die Erdatmosphäre in Brand gesetzt hatte wurden kurz darauf zwei Atombomben in Richtung Japan geschickt. Am 6. und 9. August 1945 entfesselten die USA in den Städten Hiroshima und Nagasaki die Hölle auf Erden.

Dennoch gelang es der japanischen Atomindustrie lange nach den Atombombenabwürfen, die zivile Atomenergie und Atomwaffen in ihrer Wahrnehmung voneinander zu trennen. Japan wurde zum Vorreiter bei der Nutzung von Atomkraft. Dies ist aber aufgrund der Geografie Japans problematisch: Schon 1997 etablierte der Seismologe Ishibashi Katsuhiko den Begriff Genpatsu-shinsai, oder Atomkraftwerk-Erdbeben-Katastrophe auf Deutsch. Ishibashi bezeichnete damit, dass ein ausreichend starkes Erben eine zu einer Atomkatastrophe führende Kettenreaktion auslösen könnte.

Am 11. März 2011 sollte sich seine Warnung bestätigen: Vor der Ostküste Japans löste ein Unterseebeben einen Tsunami aus, der auf das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi traf. Die Folgeschäden führten dazu, dass es in drei von sechs Reaktorblöcken zu Kernschmelzen kam, und so die Umgebung und Meerwasser kontaminiert wurden.

Skurrile Ersthelfer waren übrigens Mitglieder der Yakuza. Die Katastrophe von Fukushima löste weltweit ein Umdenken in Atomkraftfragen aus. In Japan kam es zu Protesten quer durch die Bevölkerung – inklusive buddhistischen Mönchen.

Trotz der Katastrophe hat Japan der Atomkraft nicht den Rücken zugekehrt. Von 33 Atomreaktoren sind 27 derzeit ausgeschaltet, allerdings werden stetig mehr Reaktoren reaktiviert und sogar zwei neue Kraftwerke gebaut.

 

АТОМНАЯ ЭНЕРГИЯ? СПАСИБО НЕТ [Atomnaja Energija? Spasibo njet] – Russland und Ukraine

Anmerkung: Im folgenden Abschnitt werden für Gebiete, die sich heute außerhalb Russlands befinden, die jeweils lokale Bezeichnung verwendet.

 

Die Geschichte der russischen Anti-Atom-Bewegung findet ihren Ursprung in der größten Nuklearkatastrophe der zivilen Atomkraftnutzung: Dem Unfall im Atomkraftwerk Tschernobyl. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften des Reaktors und der Missachtung von Sicherheitsvorkehrungen kam es bei einem Versuch am 26. April 1986 zu einer Explosion im Reaktorblock 4, welcher radioaktives Material in die Atmosphäre schleuderte. Durch Luftströmungen wurde dieses über ganz Europa verteilt.

In der Sowjetunion formierte sich nach diesem Ereignis Widerstand gegen die Atomkraft und in ihrer Hochphase konnte die Anti-Atombewegung die Umsetzung von 100 Projekten verhindern. Die strauchelnde russische Wirtschaft der 1990er Jahre führte zu einer Reduktion der Atomkraftprojekte und damit auch zu weniger Unterstützung und finanziellen Problemen für die Anti-Atom-Bewegung.

Heute ist Russland einer der größten Produzenten von Atomstrom der Welt und die russische Regierung folgt einem Pro-Atom-Kurs.

Das zweite nukleare Erbe der Sowjetunion, die Atomwaffen, haben erst kürzlich mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Relevanz bekommen: Wladimir Putin droht dem Westen fast schon regelmäßig mit dem Einsatz von Atomwaffen. 

 

ATOMERÖ? NEM KÖSZÖNÖM – Ungarn

 

Nur wenige Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhang nahm im Jahr 1988 das erste und einzige kommerzielle Atomkraftwerk Ungarns in Paks den Betrieb auf. Trotz des Unglücks von Tschernobyl konnte sich in Ungarn keine starke Anti-Atom-Bewegung etablieren. 2009 beschloss das ungarische Parlament die Modernisierung der Anlage. Dies geschieht seit 2014 entgegen dem Protest der ungarischen Opposition, Nachbarstaaten (wie beispielsweise Österreich) und NGOs mit der Hilfe Russlands. 2019 begann der Bau und wurde trotz des russischen Überfalls auf die Ukraine fortgesetzt. Die erwartete Fertigstellung ist 2032.

In Ungarn gibt es auch einige kleinere Initiativen wie neMecsek. Diese setzt sich beispielsweise gegen die Wiederaufnahme des Uranbergbaus nahe der Stadt Pécs ein.

 

(18.09.2024, TM)

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