Das Interview „Letzte Fragen an… Kaspanaze Simma“ wurde von Klaus Stimeder für das Monatsmagazin DATUM 10/2007 (*) geführt und wird hier mit freundlicher Genehmigung des DATUM-Chefredakteurs Stefan Apfl veröffentlicht.
//zitat// Kaspar Ignaz Simma (53) alias Kaspanaze Simma lebt mit seiner sechsköpfigen Familie als Selbstversorger auf seinem Bauernhof in der 2.300-Einwohner-Gemeinde Andelsbuch im Bregenzerwald in Vorarlberg. Der heutige Biobauer war eine der ersten Galionsfiguren der Grünen, die auch bundesweite Bekanntheit erlangten. 1984 schaffte er bei den Vorarlberger Landtagswahlen als erster Grüner den Einzug in einen österreichischen Landtag. Mit 13 Prozent und vier Mandaten feierte Simma an der Spitze der Wahlgemeinschaft von Alternativer Liste und Vereinten Grünen den für lange Zeit größten Erfolg der Grünen auf Landesebene (erst 2003 gelang den Tiroler Grünen mit 15,6 Prozent ein besseres Ergebnis).
Simma stammt aus einer streng katholischen Familie und engagierte sich zunächst im ÖVP-Bauernbund, bis er sich in den Siebzigern der aufkeimenden Ökologiebewegung und in weiterer Folge den Grünen anschloss. Nachdem sich die Vorarlberger Landesgrünen bis 1989 heftig zerstritten hatten, schaffte Simma als Kandidat der Vereinten Grünen Österreichs den Einzug ins Landesparlament nicht mehr – erst fünf Jahre später schaffte er die Rückkehr, aber zu diesem Zeitpunkt war sein Stern bereits verglüht. 1999 bewarb er sich noch einmal für ein Nationalratsmandat, scheiterte aber im Kampf um die Kandidatur in einem parteiinternen Ausscheidungsrennen. Seitdem hat er sich mit Ausnahme seiner Funktion als unabhängiger Gemeindevertreter in Andelsbuch aus der Politik zurückgezogen.
Herr Simma, in den Achtzigerjahren erlangten Sie als einer der Shootingstars der damals noch jüngen Grün-Bewegung bundesweite Bekanntheit. Heute sind Sie nicht mehr in der Politik und die grüne Parteispitze steht in der Kritik der eigenen Funktionäre. Wie geht es Ihnen, wenn Sie diese Diskussionen verfolgen?
Das Problem mit der heutigen Parteispitze ist, dass sie kein einziges zentrales Projekt mehr hat, das sie der Öffentlichkeit vermitteln kann. Sie ist viel zu sehr in der Tagespolitik verhaftet und hat vergessen, sich über grundsätzliche inhaltliche Fragen Gedanken zu machen – und eben darin liegt der Grund, warum es ein solches zentrales Projekt nicht gibt.
Und wer trägt da die Schuld daran?
Inhalte werden von Personen erarbeitet und getragen. Insofern ist es natürlich so, dass, wie soll man sagen, dass die heutige Parteispitze eng mit dem Problem verbunden ist. Ich höre immer nur Schlagwörter wie jenes von der Energiewende. Das hört sich zwar gut an, aber das kann es allein nicht sein.
Was wäre denn Ihrer Meinung nach so ein Projekt, mit dem sich die Grünen wieder mehr profilieren könnten?
Ein aufgelegtes Thema wäre meiner Meinung nach das Projekt einer ökosozialen Steuerreform, die im Groben darin besteht, den Faktor Arbeit zu entlasten und vor allem von jenen Abgaben einzuheben, welche heute die natürlichen Ressourcen nutzen. Da bräuchte es in der Parteispitze nur ein, zwei Leute, die das jeden Tag propagieren und vorantreiben. Ich bin sicher, dass so etwas in breiten Schichten der Bevölkerung heute mehrheitsfähiger wäre denn je. Heutzutage machen sich angesichts der ganzen Diskussion um den Klimawandel mehr Menschen denn je Gedanken über die Ressourcen der Natur, im Kleinen wie im Großen. Ich seh es ja selbst jeden Tag: Schauen Sie sich bloß an, was heute alles weggeschmissen wird, was man leicht reparieren könnte.
Grüne wie der Wiener Gemeinderatsabgeordnete Christoph Chorherr haben kritisiert, dass die Partei in ihren Strukturen erstarrt sei, was unter anderem daran liege, dass die wichtigen Funktionsträger seit Jahren dieselben seien. Finden Sie solcherlei Kritik berechtigt?
Wir hatten ja früher bei den Grünen das sogenannte Rotationsprinzip – nach einem gewissen Zeitraum musste man sein Mandat abgeben. Ich halte das für keine gute Idee, weil es gut ist, dass es Leute gibt, die schon länger in der Politik sind und deshalb mehr Erfahrung haben. Das Problem ist vielmehr, dass, wenn die Grünen jetzt bald einmal in eine Regierung kommen, sie wenig verändern können. Wir waren ja einmal so etwas wie eine radikale Partei. Heute ist von diesem unbedingten Willen zur Änderung der Verhältnisse nur mehr wenig zu spüren. Das drückt sich besonders im Zugang zu dem aus, wie zum Beispiel heute Arbeit definiert wird. Bei einem zweiten zentralen Reformprojekt neben einer ökosozialen Steuerreform denke ich deshalb an ein Grundeinkommen – nicht eine Grundsicherung, wohlgemerkt, sondern ein Grundeinkommen, das den Leuten wieder mehr autonomes Leben und Wirtschaften ermöglicht.
Sie galten schon immer als wertkonservativ. In Oberösterreich regieren die Grünen längst mit der ÖVP. Wie gefällt Ihnen das?
Was die Grünen angeht, mag es dort punktuelle Erfolge geben, aber das ist eben auch das Problem: Was wir brauchen, sind große Veränderungen – und die sind angesichts der bestehenden Verhältnisse nicht durchsetzbar.
Wählen Sie die Grünen eigentlich heute noch?
Das will ich Ihnen nicht sagen. //zitatende//
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