210/366: KHG und die Unmutsverschuldung

Zur Nationalratswahl 2013 wurde das Schüssel-Quartett aufgelegt: hier die Herren KHG, Meischberger, Hochegger und Rumpold.
Zur Nationalratswahl 2013 wurde das Schüssel-Quartett aufgelegt: hier die Herren Grasser, Meischberger, Hochegger und Rumpold.

Jetzt wo die Korruptionsstaatsanwaltschaft Anklage gegen Karl-Heinz „KHG“ Grasser in Sachen Buwog und Terminal-Tower erhoben hat, werfen wir einen Blick zurück: Wer kann sich bei der Unmenge an öffentlich gewordenen Fällen denn eigentlich noch erinnern, in welchem Zusammenhang die Frage „Wo woa mei Leistung?“ wirklich gestellt wurde? Und was war für wen ganz selbstverständlich „part of the game“? Wie war das mit Lucona und Noricum, mit Tetron, Telekom, Mobtel, mit Hypo, Bawag, Buwog, Bewog?

Die Grüne Bildungswerkstatt stellte 2012 mit dem Buch „Unmutsverschuldung“ ein Navigationsinstrument im Dschungel von anrüchigen Geldtransfers und Korruption zur Verfügung. Wir bringen heute im Blog einen Auszug aus der Akte Grasser.


Akte Grasser

Fall: Der schwarze Ikarus (anhängig)
Involvierte Personen: Karl-Heinz Grasser, Finanzminister von Februar 2000 bis Jänner 2007
Ermittlungsgegenstand: Amtsmissbrauch, Steuerhinterziehung

Karl-Heinz Grasser (erst FPÖ, dann ÖVP) ist bei Amtsantritt gerade mal 31 Jahre alt. Er ist Österreichs jüngster und angeblich auch schönster, intelligentester und erfolgreichster Finanzminister aller Zeiten. Als Sunny-Boy der schwarzblau/orangen Koalitionsregierungen ist er lange Zeit das populärste Regierungsmitglied.

Doch der Verdacht besteht, dass sich der sich als Traumschwiegersohn inszenierende Grasser und seine Freunde ungeniert aus dem Volksvermögen bedient haben. Der ehemalige Kabinettschef im Infrastrukturministerium Willi Berner berichtet von einem regelrechten schwarzblauen Masterplan, wie von Privatisierungen persönlich profitiert werden könnte.

Und tatsächlich ist in Grassers gesamter Amtszeit ein Muster erkennbar: Deal um Deal wird durchgezogen und die Hauptprofiteure sind immer die gleichen: Grassers Vertraute wie Trauzeuge Walter Meischberger, aber auch PR-Guru Peter Hochegger oder Immobilienmakler Ernst Karl Plech kommen immer wieder zufällig zu extrem lukrativen Geschäften.

Die Grünen luden 2012 und 2013 zu "Korruptionsclubbings", die KHg-Buttons befinden sich im Grünen Archiv.
Die Grünen luden 2012 und 2013 zu „Korruptionsclubbings“, die KHG-Buttons befinden sich im Grünen Archiv.

Homepage

Die sogenannte Homepage-Affäre kratzt schon 2003 am Lack des Strahlemanns. Die Industriellenvereinigung überweist 175.000 Euro für Grassers private Website. Über Subunternehmen schneiden Grassers Vater, Hochegger und Meischberger am Kuchen mit. Der Vorwurf, Grasser habe Schenkungssteuer hinterzogen, führt zu Erhebungen der Staatsanwaltschaft, das Finanzministerium stellt seinem Chef jedoch einen Persilschein aus.

Buwog

Bei der Privatisierung der Buwog setzt sich 2004 das siegreiche Konsortium denkbar knapp durch. Mit 961 Millionen Euro bietet es nur 0,1 Prozent mehr als die Konkurrenz. 9,61 Millionen Euro fließen danach an Hochegger und Meischberger. Ob auch Plech und Grasser hinter jenen Konten stehen, auf denen ein Teil des Geldes letztlich landet, ist noch unklar. Sicher ist sich Meischberger jedenfalls, dass der Tipp über die Höhe des Konkurrenzangebots weder von Grasser noch von Plech gekommen ist.

Julius Meinl und KHG am zweiten Korruptionsclubbing (2012). Foto: Die Grünen Österreich
Julius Meinl und KHG am zweiten Korruptionsclubbing (2012). Foto: Die Grünen Österreich

Dorotheum

Schon 2001 wird das Dorotheum privatisiert. Der Verkaufspreis von 955 Millionen Schilling (69 Millionen Euro) liegt gerade einmal um 5 Millionen Schilling höher als das Gebot der zweiten Interessenten. Plech und Hochegger stehen diesmal auf der Verliererseite, ersterer soll aber das Gebot ihres Konsortiums über Meischberger an die Sieger verraten haben. Auf einem Konto in Liechtenstein, das womöglich Grasser zuzurechnen ist, sind 236.000 Euro in bar eingezahlt worden.

Terminal-Tower

Oberösterreichs Finanzbehörden sollten an einem Ort konzentriert werden. Der Umzug in den von der Porr errichteten Terminal Tower stieß auf Widerstände. Die Porr zahlte wenig später 200.000 Euro an eine zypriotische Briefkastenfirma von Hochegger und Meischberger für „Projekterkundungen für Hotels, Büros und Einkaufszentren in Rumänien“. Natürlich ohne jeden Zusammenhang ist der Terminal Tower Ende 2005 plötzlich doch wieder zurück im Rennen und im März 2006 unterschreibt Grasser schließlich den Mietvertrag.

Für die genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.


Grüne Bildungswerkstatt (Hrsg.in): Unmutsverschuldung. Ein Kompendium österreichischer Unschuldsvermutungen. Redaktion: Georg Maißer. AutorInnen: Leila al-Serori, Augusta Dachs, Kris Hartmann, Georg Maißer, Elke Mayerhofer, Thomas Mördinger, Thomas Schobesberger, Michael Schmid, Carina Wellisch, Daniela Wiebogen, Franziska Zoidl. Zeichnungen mit Vierfarbkugelschreiber: Wolfgang Zinggl. 1. Auflage. Wien: PlanetVerlag 2012, CC-BY-NC-SA

Beide Auflagen der Printversion sind vergriffen, hier gibt es das ganze Buch (Stand 20. August 2012) zum Download: 210-gbw-unmutsverschuldung-buch (PDF, 5 MB)

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