94/366: Mit Mehrheit abgelehnt

Titelblatt der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt"(Grünes Archiv)
Titelblatt der Broschüre „Mit Mehrheit abgelehnt“ (Grünes Archiv, Inventarnr. 256)

„Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten“, resümierte der grüne Klubobmann Andreas Wabl im Vorwort zur Broschüre „Mit Mehrheit abgelehnt“ (unten im Volltext). In diesem Heft werden grüne Anträge und Anfragen aus der ersten Zeit im Parlament aufgelistet – ein bemerkenswertes Spektrum. Und seine Vorgängerin Freda Meissner-Blau fasste zusammen: „Unzählige Anträge der Grünen waren dazu angetan, die Misere an ihren Wurzeln zu packen. Abgelehnt! Schauen sich die Herrschaften nie in den Spiegel?“


//zitat// Mit dieser Zusammenstellung grüner Anträge, Zusatzanträge und Abänderungsanträge liegt nicht nur ein guter Querschnitt grüner parlamentarischer Arbeit vor, sie gibt auch Auskünfte über den Zustand unserer Demokratie. Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten. Viele Ausschußverhandlungen verkamen zu Solospielen der grünen Abgeordneten, weil die Mitglieder anderer Fraktionen ihr Verhandlungsergebnis bereits paktiert hatten. Allerdings täuscht diese undemokratische Vorgangsweise der Großparteien über die dennoch wichtige Einflußnahme grüner Politik in vielen gesellschaftlichen Bereichen hinweg. Das oft sinnentleerte Ritual der Ausschüsse im Parlament wurde durch ein kurzfristiges Aufflackern interessanter Debatten und Diskussionen durchbrochen, und die in Hinterzimmern der Sozialpartnerschaft konstituierten Gesetzestexte zeigten manchmal doch Facetten, die die Reste des Selbstwertgefühls mancher Abgeordneten aufleben ließen. Grüne Ideen und Anträge wurden und werden zwar meist in der ersten Phase als unrealistisch abgetan, fanden und finden sich dann aber plötzlich als tagespolitische Heldentaten auf den Titelseiten der Zeitungen wieder. Durch umfassende grüne Anträge ist es auch gelungen, in vielen gesellschaftlichen Bereichen Diskussionen zu verstärken, die bisher im Schatten der Ministerialbürokratie dahinvegetierten.

Grünes Antidiskriminierungsgesetz

Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt".
Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre „Mit Mehrheit abgelehnt“.

Das grüne Antidiskriminierungsgesetz (ADG) wurde ein wichtiger Beitrag zur Emanzipationsdiskussion, gerade im Zusammenhang mit den ständigen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Österreicherinnen. Mit dem Umweltschädenhaftpflichtgesetz, dem wohl umfassendsten Gesetzesantrag aus „grüner Werkstatt“, ist uns ein wichtiger Beitrag zur ökologischen Entwicklung unserer Industriebereiche gelungen [Die Referate und Diskussionen von der Enquete der Grünen zum Thema „Haftung und Pflichtversicherung für Umweltschäden“ im Juli 1991 liegen im Grünen Archiv vor, Anm.]. Dieses Gesetz beabsichtigt eine Verteuerung bis Verunmöglichung umweltbelastender, umweltriskanter und umweltschädigender Produktionsverfahren. Ökologisches Wirtschaften soll nicht durch Beamtenkontrolle, sondern durch effektive Versicherungskontrolle erreicht werden. Da eine Verbesserung der ökologischen Bedingungen und des Umweltzustandes untrennbar mit der demokratischen Frage verknüpft ist, waren wir bemüht, vor allem die Bürgerbeteiligung und die Rechte des Einzelnen zu verbessern. Insbesondere der Zugang zu Informationen ist Voraussetzung für wirksames Einschreiten einzelner Bürgerinitiativen und Gruppen. Die Regierung hat jedoch ihr Versprechen eines umfassenden Bürgerbeteiligungsgesetzes gebrochen.

einige der dringlichen Anfragen.
einige der dringlichen Anfragen, die in der Broschüre aufgelistet sind.

Öffentlichkeit aller Ausschüsse gefordert

Die Untersuchungsausschüsse Lucona, Milchwirtschaft und Noricum finden in dieser Broschüre keine Erwähnung, waren aber für die Aufdeckung katastrophaler Zustände in dieser Republik und als Aufklärung über die Verfilzung von Parteien, Ämtern und Wirtschaftsbetrieben wichtige Voraussetzung für noch zu setzende und zu ergreifende Veränderungsmaßnahmen. Eine ökologische und demokratische Revolution kann nicht erfolgreich sein, wenn Bespitzelung, Korruption und Parteibuchwirtschaft nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen zurückgedrängt werden. Alle unsere ökologischen Bemühungen müssen im Sand verlaufen, wenn diese Mißstände nicht beseitigt werden. Deshalb war die Teilnahme und die Arbeit in diesen Ausschüssen besonders für die Grünen so wichtig und erfolgreich. Die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse war für die grüne Opposition von großer Bedeutung. Ohne die Anwesenheit der Medien hätten die meisten Menschen in Österreich von all diesen demokratiefeindlichen und zum Teil kriminellen Vorkommnissen wenig bis gar nichts erfahren. Aus diesem Grund verlangen wir die Öffentlichkeit aller Ausschüsse.

Abgelehnt, abgelehnt und abgelehnt. Frauenpolitische Anträge der Grünen.
Abgelehnt, abgelehnt und abgelehnt. Frauenpolitische Anträge der Grünen.

Umweltpolitik aus dem Verkehrsministerium

In der täglichen politischen Arbeit wurde deutlich, daß Umweltpolitik vor allem im Landwirtschaftsministerium, Wirtschaftsministerium und Verkehrsministerium gemacht wird. Die Herstellung von Lebensmitteln unter ökologischen Gesichtspunkten garantiert sauberes Grundwasser, nachhaltige Bodenpflege und umfassenden Artenschutz. Sie ist die Voraussetzung für gesunde Menschen und wesentlicher Bestandteil grüner Gesundheitspolitik. Die Produktion sämtlicher Wirtschaftsgüter und die damit verbundenen Produktionsverfahren sind ausschlaggebend für den Erhalt unserer Erde und damit Voraussetzung für das Leben und Überleben der Menschen. Das Wirtschaftsministerium mit all seinen Rahmenentscheidungen hat eine Schlüsselfunktion, insbesondere die Entscheidungen zu ständiger Erweiterung des Straßenverkehrs sind verantwortlich für Landschaftszerstörung und die Belastung der Atmosphäre (OZON). Es ist den Grünbewegten gelungen, den Regierenden eine Reihe von Gesetzen mit grünen Überschriften abzutrotzen. Nun kommt es darauf an, diese Gesetze mit wirksamen Inhalten zu füllen und deren verändernde Kraft an der Wirklichkeit zu messen. Denn: Der Sondermüllberg wächst von Tag zu Tag. Die Ozonproblematik wird brisanter. Die Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Schadstoffe in den Nahrungsmitteln wird unkontrollierbarer. Dieser destruktiven Dynamik werden wir sowohl durch parlamentarischen als auch durch außerparlamentarischen Widerstand in der nächsten Legislaturperiode entgegentreten. //zitatende//

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