„Alles Recht geht vom Volk aus, aber es kehrt nicht zu ihm zurück“, schrieben Günter Schobesberger und Monika Langthaler in der Zeitschrift „Impuls grün“. Betrachtungen über Mitspracherechte und Direkte Demokratie.
Alles Recht geht vom Volk aus…
von Günter Schobesberger
Niemand in Österreich ist wirklich rechtlos. Es gibt aber, was den Zugang aller zum Recht betrifft, so vielfältige Ungleichheiten, daß wir unsere Rechtsordnung weder als gerecht noch als demokratisch bezeichnen können.
Viele Mitspracherechte sind käuflich. Sie sind mit Sachen meist so verbunden, daß man Eigentümer oder Besitzer dieser Sachen sein muß, um in verwaltungsrechtlichen Bewilligungsverfahren Einwendungen machen zu dürfen. Als Parteienrecht ist diese Form der Mitsprache nur etwas für Besitzende.
Dazu ein Beispiel. Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für das Kraftwerk Hainburg konnten nur die etwas vorbringen bzw. einwenden, die im fraglichen Gebiet ein Wasserrecht besaßen. Das taten drei Bauern, die dort Brunnen haben. Sie waren als Parteien im Verfahren übergangen worden. Als ihre Einwendungen und Berufungen mit negativen Bescheiden von der Behörde abgewiesen wurden, brachten sie beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde ein. Trotzdem hat es die Aubesetzung gebraucht, daß das Kraftwerk nicht gebaut wurde, und die drei Bauern zu ihrem Recht kamen. Gerechtigkeit war in diesem Fall also auch eine Frage der Zeit, weil die Baumaschinen der DoKW ohne Behinderung geschwinder gewesen wären als die Richter des Verwaltungsgerichtshofes.
Diese Form der Mitsprache auf dem Amtsweg durch Einwendungen, Berufungen, Stellungnahmen und Anträge kostet außer Bundesstempelmarken praktisch nichts. Dagegen sind Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof, die nur von Rechtsanwälten eingebracht werden können, sehr teuer, und in letzter Konsequenz ist auch so eine Bürgerbeteiligung nur etwas für Leute mit Geld. Vor Amt können Besitzende eine öffentliche Sache zu ihrer eigenen machen und den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums auch für Zwecke der Bürgerbeteiligung nutzen. Das Kaufen eines Stückes Land kann so zu einer wichtigen politischen Aktion werden, und „Schutzkäufe“ hat es deshalb schon immer gegeben. Wer nichts besitzt und trotzdem in öffentlichen Angelegenheiten mitsprechen möchte, ist in Österreich auf die Grundrechte und Mittel der direkten Demokratie angewiesen.
Es gibt ein Versammlungsrecht, ein Petitionsrecht und wir können Volksbegehren beantragen. Wir dürfen demonstrieren, protestieren und uns öffentlich aufführen. Doch ist selbst bei den lustvollsten politischen Aktionen immer ein gewisses Maß vorsichtiger Bedenklichkeit geboten. In wichtigen Angelegenheiten haben überhaupt nur Massenaktionen Aussicht auf Erfolg. Ich war dabei, wenn auf Bittgängen Politikern Unterschriften überreicht wurden und ich sah nicht, daß sich einer von ihnen darüber gefreut hätte. Bei Besuchen in ihren professionellen Domänen wachsen sie in ritueller Unverbindlichkeit gleichsam zu menschlichen Türmen auf.
In seiner Erzählung „Die Abweisung“ beschrieb Kafka so einen Bittgang. Gegen Schluß der Geschichte steht der Satz:
„In wichtigen Angelegenheiten aber kann die Bürgerschaft einer Abweisung immer sicher sein.“
Der Schock solcher Abweisungen wirkt immer und ist mit wissenschaftlicher Methodik zur politischen Therapie-Maßnahme gegen jede Form der Bürgerbeteiligung weiterentwickelt worden.
Auch dazu ein Beispiel. Nach der Volksabstimmung vom 5.11.1978 über die Atomkraft haben Sozialwissenschaftler im Auftrag einer politischen Partei Strategien gegen die „irreguläre Opposition“ von Bürgerinitiativen entwickelt. Drei taktische Schritte werden den Politikern empfohlen:
- „Laissez faire“ Methode, d.h. man lasse die Initiative gewähren, sei freundlich und lieb, rede mit ihr, bemühe sich ihr Anliegen kennen zu lernen, lasse sie in ihrem Schwung und Eifer ins Leere laufen.
- Strategie der Repressionen, d.h. man übe Druck auf die Initiative aus, man verstärke den Druck durch berufliche, existentielle Drohung, Prozesse, Strafverfahren usw.
- Den taktischen Schritt des Arrangements, d.h. man gehe auf die Wünsche der Initiative ein, schließe Kompromisse und nutze deren Anliegen für die Erreichung eigener politischer Ziele.
Zum Glück wissen die Leute in den Bürgerinitiativen davon zu wenig, um sich in ihrer lästigen Tätigkeit ernstlich stören zu lassen.
…aber es kehrt nicht zu ihm zurück.
von Monika Langthaler
Seit Jahren werden von verschiedenen Umweltverbänden und der Grünen Alternative Vorschläge zur Lösung von Umweltproblemen publiziert. In Regierungen und Verwaltungen stoßen diese allerdings in der Praxis großteils auf Ablehnung und Widerstand. Auch die Konfrontation zwischen „den Beamtinnen“ und „den Politikerinnen“ auf der einen und „den Alternativen“ und „den Bürgerinitiativen“ auf der anderen Seite wurde in den vergangenen Jahren immer aggressiver. Die Beziehungsebene ist durch gegenseitiges Mißtrauen und fehlende Akzeptanz gekennzeichnet. Das Vertrauen der Bevölkerung in politische Entscheidungsträger sowie in die Beamtenschaft ist (meist berechtigterweise) so gut wie nicht mehr vorhanden.
Und trotzdem: Die meisten Entscheidungsträger in diesem Lande vertrauen noch immer auf das vertraute Alleinentscheiden, ohne zu begreifen, daß die alten Entscheidungsinstrumente „Alleinentscheiden“, „möglichst lange geheimhalten“ oder „Informationen in Form von Halbwahrheiten“ (siehe unsere derzeitige Ozonberichterstattung!) in einer von den Bürgerinnen immer bewußter gelebten demokratischen Gesellschaftsordnung zunehmend versagen.
Forderungen nach „mehr Demokratie“, nach „Mitbestimmung“ und stärkerer Beteiligung der Betroffenen an Entscheidungsprozessen sind die Folge. Der Prozeßcharakter des Planens erfordert kontinuierliches Handeln und im Detail kurzfristige Entscheidungen. Allein dieses Wissen zeigt, daß der Informationsstrom zur Artikulation des Bürgerwillens per periodischer Wahlen über den Regelkreis „Bürger- Politik – Verwaltung“ bei komplexen Planungen zu lang ist.
Nur Scheindemokratisierung
Alle beschlossenen Umweltgesetze (Bsp. Abfallwirtschaftsgesetz, Altlastensanierungsgesetz, Berggesetznovelle – ein Lehrstück an undemokratischer Vorgangsweise) sind hinsichtlich des Aspektes der Einbeziehung von Bürgerinnen äußerst unbefriedigend. Wer behauptet, in irgendeinem dieser Gesetze wurde engagierten und interessierten Menschen mehr Mitsprache eingeräumt, ist schlichtweg ein/e Lügner/in – oder er/sie hat das Gesetz nicht gelesen.
Darüberhinaus sind gesetzliche Regelungen im Bereich der Bürgerbeteiligung alleine bei weitem zu wenig, um den komplexen Ansprüchen und Erfordernissen dieser Materie auch nur halbwegs gerecht zu werden. Da jedoch in der Praxis nicht in jeder Gemeinde, Stadt oder Landesregierung aufgeschlossene PolitikerInnen sitzen (eher umgekehrt, wo sitzen sie?), sind gesetzliche Rahmenbedingungen als „Mindestrecht“ zum Schutz der Bürger-Innen unbedingt erforderlich. Trotz ökosozialem Gefasel: Es zeigt sich deutlicher denn je, daß für das ökologische Ziel der Umweltvorsorge ein großer Bedarf an staatlicher Planung notwendig ist, weil die Langfristigkeit ökologischer Kreisläufe nicht über einen kurzfristig reagierenden Markt erfaßt werden kann. In diese staatliche Planung müssen .in Zukunft mehr als bisher die betroffenen Menschen miteinbezogen werden.
Als Mindestanforderungen gelten:
- Regelungen der Bürgerbeteiligung über ein eigenes Bürgerbeteiligungsgesetz (siehe Entwurf der Grünen Alternative);
- Regelung der Bürgermitsprache im Rahmen eines eigenen Umweltverträglichkeitsgesetzes und darüberhinaus
- Modelle außerhalb gesetzlicher Maßnahmen, die auch breiten Raum zum Experimentieren ermöglichen müssen. Einige Fehl- oder Falschstarts müssen hier miteinbezogen werden.
Alle diese Modelle haben eines gemeinsam: Für alle Beteiligten ist diese Form des Miteinander ungewohnt und schwierig. Verlorenes Vertrauen kann nicht innerhalb von einem oder zwei Jahren wiedergewonnen werden.
Die Bürgerbeteiligung bei Konzepten oder Projekten sollte zusammenfassend vor allem zwei Ziele verfolgen:
Erstens die gesellschaftspolitische Änderung unseres herkömmlichen Systems, mit dem Ziel eine Verbesserung der Lebens- und Umweltsituation herbeizuführen.
Zweitens, die Schaffung einer neuen Kommunikationsebene zwischen den politischen Mandataren und der Verwaltung auf der einen und den Bürgerinnen auf der anderen Seite.