358/366: Terezija Stoisits und das Bohren harter Bretter

Minderheiten, Menschenrechte, Justizpolitik: Wie die grüne Burgenlandkroatin Terezija Stoisits vernachlässigte Themen ins Parlament brachte. Ein Beitrag von unserem Gastautor Stefan Wolfinger.


Andreas J. Obermaier: Das unermüdliche Bohren harter Bretter Die parlamentarischen Spuren von Terezija Stoisits 1990-2007. Wien: PlanetVerlag 2010
Andreas J. Obermaier: Das unermüdliche Bohren harter Bretter
Die parlamentarischen Spuren von Terezija Stoisits 1990-2007. Wien: PlanetVerlag 2010

Für eine Parlamentarierin einer Oppositionspartei scheint es in Österreich fast unmöglich zu sein, direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Dass frau mit Beharrlichkeit und Leidenschaft dennoch erfolgreiche Politik machen kann, allen Anfeindungen zum Trotz, das bewies Terezija Stoisits in ihrer über sechzehnjährigen Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete. Das Buch „Das unermüdliche Bohren harter Bretter“ dokumentiert ihre politische Arbeit von 1990 bis 2007.

Stoisits gelang es immer wieder, dass vernachlässigte Themen auch im Nationalrat aufgegriffen wurden. Minderheiten, Menschenrechte, Justizpolitik und Österreichs Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit bildeten die Politikfelder, in denen die Juristin ihre ganz spezielle, persönliche Kompetenz entwickelte.

Einsatz für Minderheiten

Die Burgenlandkroatin begann jede ihrer Reden im Parlament mit der Begrüßung „Dobar dan, poštovane dame i gospodo“ – „Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren“. Diese zweisprachige Anrede war Programm: Einer ihrer ersten politischen Erfolge war es, dass 1992 in Oberwart ein zweisprachiges, das heißt deutsch-kroatisches Gymnasium errichtet wurde. Auch das sogenannte „Minderheitenschulgesetz“ von 1994 enthält Elemente aus dem Gesetzesentwurf der Grünen. Es gewährt der ungarischen und der kroatischen Volksgruppe im Burgenland das Recht, ihre Sprachen als Unterrichtssprachen zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen. Mit großer Beharrlichkeit wies Stoisits darauf hin, dass zweisprachige Ortstafeln ein wichtiges Symbol für den Umgang mit Minderheiten in Österreich darstellen. Zu einem großen Teil ist es der Hartnäckigkeit der Abgeordneten zu verdanken, dass im Burgenland im Jahr 2000 schließlich kroatisch-deutsche Ortstafeln aufgestellt wurden, während in Kärnten die Debatte über slowenisch-deutsche Tafeln noch lange weiterlief.

Stoisits betrieb zudem kontinuierlich politische „Lobbyarbeit“ für Sinti und Roma. Dieses Engagement trug wesentlich zu deren politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Achtung bei und führte schlussendlich zur Anerkennung als österreichische Volksgruppe.

Offensives Eintreten für Menschenrechte

Während ihrer gesamten parlamentarischen Tätigkeit trat Terezija Stoisits offensiv für die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich ein. Sie präsentierte immer wieder konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Parlament. Am bekanntesten ist der Fall Marcus Omofuma. Österreichische Beamte hatten diesem „Schubhäftling“, der sich gegen seine Abschiebung wehrte, mit Klebebändern am Sitz des Flugzeugs fixiert und ihm den Mund zuggeklebt. Omofuma erstickte aufgrund dieser Behandlung am 1. Mai 1999 auf einem Flug von Österreich nach Bulgarien. Stoisits stellte Anfragen an den Innenminister, um die Verantwortlichkeit für diesen Todesfall aufzuklären und öffentlich auf Missstände in der Abschiebepraxis hinzuweisen. Dies führte dazu, dass die Praxis der Knebelung von Häftlingen als rechtswidrig befunden wurde und beschleunigte die Einrichtung eines Menschenrechtsbeirates als beratendes Organ der österreichischen Volksanwaltschaft.

Auch die Einrichtung eines parlamentarischen Menschenrechtsausschusses ist den Grünen und unter diesen besonders Terezija Stoisits zu verdanken. Das Ziel, ExpertInnen und die Zivilgesellschaft aktiv in die Arbeit dieses Ausschusses einzubinden, wurde von ihr konsequent und erfolgreich verfolgt.

Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit

In die Zeit, in der Stoisits dem Nationalrat angehörte, veränderte sich der Umgang Österreichs mit seiner jüngeren Vergangenheit. An die Stelle des Verdrängens und kollektiven Vergessens traten allmählich eine bewusste politische Aufarbeitung der Zeit zwischen 1938 und 1945 und die Frage, wie mit Opfern das nationalsozialistischen Regimes für das erlittene Unrecht entschädigt werden könnten. Stoisits war ab 1996 Kuratoriumsmitglied im „Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus“ und versuchte in dieser Funktion den Opfern des Nazi-Regimes zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie machte sich auch dafür stark, einen österreichischen Gedenktag für die Opfer des NS-Regimes einzuführen. Dieser wurde als Symbol für eine neue offizielle österreichische Sichtweise auf die Zeit des Nationalsozialismus erstmals am 5. Mai 1998 begangen. Stoisits engagierte sich auch für die Restitution von geraubtem Vermögen und der sogenannten „Raubkunst“ sowie für die Rehabilitierung und Anerkennung der österreichischen Opfer der NS-Militärjustiz.

Persönliche Angriffe: Vom Sexismus bis zur Briefbombe

Stoisits‘ klare Haltung stieß nicht nur auf Gegenliebe. Während ihrer Zeit als Parlamentsabgeordnete ereigneten sich zwei Vorfälle, bei denen sie als politisch tätige Frau persönlich angegriffen wurde. 1993 forderte sie der ÖVP-Abgeordnete Paul Burgstaller in einem Zwischenruf während einer Debatte im Innenausschuss auf, sie möge das Mikrofon „in den Mund nehmen und fest daran lutschen“. Dieser Vorfall brachte Stoisits dazu, das Thema Sexismus im Parlament erstmals öffentlich zu diskutieren. Dass heute sexistische Ausfälle im Parlament der Vergangenheit angehören, ist eine Langzeitfolge dieser Debatte.

Dass Stoisits als polarisierende Politikerin zahlreiche hasserfüllte Schmähbriefe erhielt, gehörte zu ihrem Alltag. Eine lebensbedrohliche Dimension erhielt dieser Hass jedoch, als der rechtsextreme Terrorist Franz Fuchs im Dezember 1993 auch ihr eine Briefbombe schickte. Die Sprengladung wurde jedoch glücklicherweise rechtzeitig entdeckt und entschärft.

Nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat wurde Teresija Stoisits am 1. Juli 2007 als erste grüne Politikerin Volksanwältin – eine Position, die sie bis zum 30. Juni 2013 innehatte. Heute arbeitet sie als Beamtin im Bildungsministerium und ist Beauftragte für Flüchtlinge in der Schule.

Literatur

Andreas J. Obermaier: Das unermüdliche Bohren harter Bretter. Die parlamentarischen Spuren von Terezija Stoisits 1990-2007. Wien 2010

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