„Die ‚andere Politik‘, die ‚andere politische Kultur‘, die von den Grün- und Alternativbewegten primär gefordert wird, decken sich in vieler Hinsicht mit jenen Forderungen, die in den Evangelien und den Apostelbriefen von den ‚Brüdern und Schwestern‘ eingemahnt werden“. Rudolf Sablattnig stellt in seinem Beitrag „ChristInnen und Grüne – wie geht das zusammen?“ einen Vergleich zwischen den urchristlichen Gemeinden bzw. heutigen Laienbewegungen und der Grün- und Alternativbewegung an.
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ChristInnen und Grüne – Wie geht das zusammen?
Sind Religionen und Politik nur Gegensätze, die einander berühren oder können sie gemeinsam wirken?
Wenn von Christentum und Politik die Rede ist und die beiden Begriffe in unserer Zeit eher als Gegensätze empfunden werden, so liegt das vor allem daran, daß Christentum immer mit den christlichen Amtskirchen gleichgesetzt wird. Die Geschichte zeigt, daß zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft wechselnd einmal volle Übereinstimmung, zum anderen Todfeindschaft im wahrsten Sinne des Wortes herrschte. Übereinstimmung, wie bei den Kreuzzügen, in der missionarischen Kolonialisierung, in der „Ketzer-“ und Hexenbekämpfung, Feindschaft im Investiturstreit, in den verschiedenen „Kulturkämpfen“. Der Begriff „Geistliche Herrschaft“ bezeichnet auch heute noch genau das, worum es im Verhältnis von Politik und Amtskirche geht. Und dabei stellt sich mehr und mehr heraus, daß insbesondere jene politischen Parteien, die plakativ das „Christlich“ in ihrem Namen führen, aber auch jene die das „Christliche“ in den Vordergrund stellen, immer weniger und weniger mit den Grundwerten des Christentums – gleich welcher amtskirchlichen Konfession – zu tun haben.
Eine Amtskirche, die sich in massiver und mitunter geradezu verleumderischer Weise (man denke an die Aussagen von Erzbischof Eder über Bischof Kräutler) über Mitbrüder, über die Befreiungstheologie, über Basisgemeinden äußert, hat mit den christlichen Grundwerten, mit dem Christentum der Evangelien nur wenig mehr gemein, als den – man könnte fast sagen – usurpierten Namen.
Konsens über Grundwerte
Nun zeigt sich aber, daß es sowohl in der katholischen, als auch in den evangelischen Kirchen gerade die – vorwiegend von Frauen getragenen – Laienbewegungen sind, die diese „evangelischen Urwerte“ des Christentums wieder in den Mittelpunkt gestellt sehen wollen. Wenn wir nun an die Anfänge der Grün- und Alternativbewegungen zurückdenken, dann zeigt sich, wie weit hier mit diesen Laienbewegungen, mit den Basisgemeinden Konsens über Grundwerte herrscht.
Die „andere Politik“, die „andere politische Kultur“, die von den Grün- und Alternativbewegten primär gefordert wird, decken sich in vieler Hinsicht mit jenen Forderungen, die in den Evangelien und den Apostelbriefen von den „Brüdern und Schwestern“ eingemahnt werden.
Aber nicht nur der Umgang mit Politik (und Mitmenschen) wird in gleicher Art und Weise eingefordert, es geht auch um wesentliche Inhalte der Politik. Das „macht Euch die Erde untertan“ wird so verstanden, daß die Erde mit alldem was da kreucht und fleucht und schwimmt, mit ihren Pflanzen und Gewässern nicht zum „Untertan“, zum Ausbeutungsobjekt dem Menschen zugeteilt sei, sondern in die besondere Obhut der Menschen gegeben ist.
Aber nicht nur im Umweltbereich gibt es diese Deckungsgleichheit zwischen grünalternativem und frühchristlichem Verständnis. Auch wo es um den Umgang der Menschen miteinander geht, finden wir sie. Denken wir etwa nur an Jesu Erzählung vom barmherzigen Samariter, an das „Ehret Menschen von allen Arten“ (Petrus 1, 2.17) oder an all das, was wieder und wieder über den Frieden gesagt wird.
gegen Mißbrauch von Macht und Herrschaft
Aber auch dort finden wir diese Übereinstimmung, wo es darum geht, Widerstand zu leisten, Kritik an den Mächtigen zu üben und auf Fehlentwicklungen unbeirrt hinzuweisen. Zeugen dafür sind die Propheten des Alten Bundes, die immer wieder gegen Mißbrauch von Macht und Herrschaft aufgetreten sind. Diese Männer oftmals ganz massiv in die Politik ihrer Zeit ein. Und gerade hier wird es verständlich, wie wenig die Basisgemeinden und die christlichen Laienbewegungen mit ihren Amtskirchen oft anzufangen wissen, wenn sich diese Amtskirchen mit weltlicher Herrschaft in Unterdrückung, Ausbeutung, Gewaltausübung oft ganz und gar bedenkenlos gemein machen (z.B. in Bezug auf Militärdienst oder Todesstrafe).
Freiheit des Christenmenschen
Die christlichen Amtskirchen verfallen immer wieder einem ihren eigenen hierarchischen Ordnungen und ihrer Herrschaft entsprechenden Politik- und Ordnungsverständnis, setzen sich in offenen Widerspruch zur „Freiheit des Christenmenschen“ und begreifen so die Welt und den Lauf der Zeiten nicht mehr. Und so wird verständlich, daß die Basis- und Laienbewegungen nach neuen politischen Heimaten suchen, nach politischen Formen, die ihrem Welt- und Menschenverständnis näher stehen als all jene politischen Parteien mit dem großen „C“ im Namen.
Die Widersprüche zwischen Christen und Grünen (Grünalternativen) sind im Verhältnis zum mehr und mehr ge- und zerstörten Grundkonsens mit Parteien der alten Art nur marginal. Oder soll solchen Christen nicht alles hochkommen, wenn ein Herr Haider sich berühmt, ein „praktizierender Christ“ zu sein? (Vgl. Lukas 18:11). Christen und Grüne verträgt sich – so meine ich – gut miteinander, und – so hoffe für die Zukunft – um vieles besser als jede andere „Mischung“.
Aus dieser „Weihnachtsausgabe“ haben wir im Blog bereits die Betrachtungen von Günther Nenning über „Das verflixte Religiöse“ veröffentlicht. Außerdem enthalten: Beiträge über die Theologie der Befreiung in Lateinamerika, den deutschen Theologen Eugen Drewermann und den Arbeitskreis ChristInnen und Grüne.