In den späten 1970er Jahren kam es in Österreich zu ersten grünen Kandidaturen bei Gemeinderatswahlen. Die Bürgerliste, ein Zusammenschluss verschiedener BürgerInneninitiativen, zog 1977 mit zwei Mandaten in den Gemeinderat der Stadt Salzburg ein – Gemeinderäte wurden Herbert Fux und Richard Hörl. Zum zwanzigjährigen Bestehen 1997 wurde eine Jubiläumsschrift veröffentlicht, die von einer kleinen Gruppe unabhängiger JournalistInnen redigiert wurde und nicht (nur) die bei einem solchen Anlass zu erwartenden Gratulationen, sondern auch kritische Auseinandersetzungen mit der grünen Politik in Salzburg enthält. Positives Fazit der Bürgerliste im Vorwort: „Die Gruppe engagierter SalzburgerInnen, die der Zerstörung, der Packelei und der sozialen Kälte den Kampf angesagt hat, konnte weit mehr erreichen, als selbst Wohlmeinende Ende der 70er Jahre zu hoffen wagten“.
Bürgerliste = Bürgerinnenliste?
Die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Gschwandtner beschrieb in ihrem Beitrag, warum aus ihrer Sicht „die Bürgerliste nicht unbedingt eine Bürgerinnenliste“ war:
//zitat// Eigentlich könnte sich ein Artikel über das Verhältnis zwischen Bürgerliste und „Frauen“ auf folgende kurze Darstellung beschränken. In ihrer Entwicklung unterscheidet sich die Bürgerliste nicht wesentlich von der Sozialdemokratie oder der Volkspartei: Den „Gründervätern“ (Hörl, Ziesel, Fux) folgen „Kronprinzen“ (Voggenhuber, Padutsch) nach. Die erste Frau wurde unter anderem deshalb nominiert, weil ein Mann meinte. „Es muß eine Frau auf der Liste geben.“ 1982 kam so Dietlinde Kurz, Aktivistin gegen den Bau einer Stadtautobahn, als erste Frau für die Bürgerliste in den Gemeinderat, 1988 wurde Elisabeth Moser in den Gemeinderat kooptiert, 1992 wurden mit Ulrike Saghi und Angelika Gasteiner zwei weitere Frauen Gemeinderätinnen der Bürgerliste. (…)
Die Stadt Salzburg – und dies ist der maßgebliche Kontext, in dem sich die Politik der Bürgerliste bewegt – ist nach wie vor fest in männlicher Hand. Alle wesentlichen Positionen wie Bürgermeister, dessen Stellvertreter sowie die restlichen Regierungsmitglieder sind von Männer besetzt. (…)
Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die Tatsache, daß die Frauen der Bürgerliste nicht aus der Frauenbewegung kommen und sich auch nicht als Feministinnen verstehen.Sie engagierten sich ursprünglich in anderen Politikfeldern und kamen von dort zur Bürgerliste, etwas aus BürgerInneninitiativen, aus dem Sozialbereich oder aus der StudentInnenpolitik. (…)
Zwar sind und waren Frauen an der Basis, bei den BürgerInneninitiativen und Aktionsgruppen, in hohem Ausmaß vertreten (beim Sammen von Unterschriften oder beim Kleben von Plakaten). Doch finden sich weiter oben, eben wo die Luft dünner wird, weniger Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. Ulrike Saghi deutet an, was möglicherweise viele – nicht nur Bürgerlisten-Männer – fürchten: „…wir müssen uns die Macht holen, freiwillig geben sie die Männer nicht her.“ //zitatende//
Freier Bürger oder Untertan
Helmut Hüttinger, der damalige (und heutige) Klubobmann der Gemeinderatsfraktion, erinnerte sich an die ersten Erfahrungen der Bürgerliste:
//zitat// Am Anfang ist alles ganz einfach. Wir da unten – die da oben. „Die Menschen draußen“ hat ein früherer Bundeskanzler die Menschen genannt, die außerhalb der Politikerkaste leben. Draußen, so fühlen sich tatsächlich viele Menschen, wenn es um die Teilnahme an Entscheidungsprozessen geht.
Und dann lassen sich die Bürger das alles plötzlich nicht mehr gefallen. Bürgerinitiativen entstehen, die Politiker müssen hinaus aus den Parteizentralen und Hohen Häusern, die zu betreten ein Normalsterblicher kaum wagte, hinaus zum Volk, das immer ungeduldiger wird.
Freier Bürger oder Untertan – so lautet die Parole, mit der die Bürgerliste bei den Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg zu einem fulminanten und aufsehenerregenden Erfolg kommt. Genau das wollen wir sein, freie Bürger und nicht Untertanen unter die Parteienallmacht, die ungeachtet von Mandatsverschiebungen bei Wahlen seit Beginn der Zweiten Republik unerschütterlich durch den heiligen Proporz abgesichert ist. Und plötzlich sind die „freien Bürger“ oder jene, die von ihnen gewählt wurden, selbst in Entscheidungsgremien, sitzen im Gemeinderat, im Stadtsenat, in verschiedenen Ausschüssen und sogar in der Stadtregierung und reden mit, wenn Politik in den Gremien gemacht wird.
Dann ist nichts mehr einfach. Ein feingesponnenes Netz von Beziehungen, Geheimabsprachen und Intrigen lassen eine echte Mitgestaltung kaum zu. „Jetzt lassen wir ihn anrennen“, ist die erste Reaktion eines Spitzenbeamten auf die Wahl von Johannes Voggenhuber in die Stadtregierung“. //zitatende//
Heute vor 23 Jahren in Graz
Die Alternative Liste Graz erringt bei der Gemeinderatswahl in Graz am 24. Jänner 1993 ein zusätzliches Mandat und damit wieder den Klubstatus. Sie kommt auf 7.073 Stimmen (das sind 5,26%) und 3 Mandate. Die Liste „GRÜN“ des ehemaligen VGÖ-Landtagsabgeordneten Josef Korber kommt auf 1 Mandat (2.527 Stimmen und 1,88%), die VGÖ – als „Die Grünen“ – gehen mit 1.786 Stimmen (1,33%) leer aus.